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Der letzte Weg mit Pferd und Kutsche

In Schönau-Berzdorf wird ein Sarg noch heute per Pferdewagen zum Friedhof gefahren. Eine pietätvolle Variante mit Pferd und Urne gibt es auch.

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© Wolfgang Wittchen

Von Anja Beutler

Der letzte Weg ist ungewöhnlich steil. Zum Friedhof in Schönau-Berzdorf steigen die Trauernden straff bergan. Und auch für den Leichenwagen ist der helle, raue Bergweg eine Herausforderung – egal wie viel PS den Wagen ziehen. In Schönau-Berzdorf sind es bei Erdbestattungen zwei PS. Zwei seiner Warmblüter spannt Udo Kretschmer vor den Leichenwagen, wie er die Sargkutsche nennt. Seit 1996 hat er den Wagen auf seinem Hof untergestellt und geleitet bei Bedarf Schönauer und Kiesdorfer zur letzten Ruhe. „Das hat hier eine lange Tradition und ist inzwischen eine echte Ausnahme“, sagt er.

© SZ Thomas Eichler

Dass die Tradition in der Tat sehr lang ist, erzählt schon der Leichenwagen selbst: In der Kutsche ist ein Schild angebracht, auf dem zu lesen steht, dass 1887 ein Schönauer Bauer den Wagen der Gemeinde stiftete. Ganze 127 Jahre lang ist das schwarz lackierte Gefährt mit den hohen Rädern und den aufgemalten Palmwedeln im Dorf im Einsatz. „Früher waren es die Bauern im Ort selbst, die ihre Verstorbenen zur letzten Ruhe fuhren“, beschreibt Kretschmer die üblichen Dienste. Bis Mitte der 70er Jahre waren solche Kutschen überall gang und gäbe. Dann drängten die Autos sie immer mehr zurück. Aber nicht in Schönau-Berzdorf. Nur einmal, Anfang der 80er, sei ein Auto geschickt worden. „Da gab es im ganzen Ort und in Altbernsdorf keine Pferde. Das Auto aber ist damals am Berg stecken geblieben“, erzählt Udo Kretschmer.

Auch deshalb sind die Schönau-Berzdorfer bis heute bei ihrem Pferde-Leichenwagen geblieben. Inzwischen ist der Weg auf eine spezielle Weise befestigt. „Dresdener Decke heißt das und ist extra so gemacht, dass die Pferde ausreichend Halt finden“, erläutert Bürgermeister Christian Hänel. Die Gemeinde sei ganz auf diesen würdevollen Gang zur letzten Ruhe eingestellt. Die Bestattungsunternehmen in der Region übrigens auch. Sowohl das Görlitzer Bestattungshaus Ullrich, aber auch das Ostritzer Unternehmen Klose wissen bei Nachfrage sofort, dass die Kutsche in dem Eigen-Dorf die erste Wahl ist. Zumindest bei den wenigen Erdbestattungen, die es im Ort noch gibt. Drei bis fünf sind es heute im Durchschnitt im Jahr insgesamt, schätzt Udo Kretschmer ein. Die Särge werden dann in der Regel von der Kirche zum Friedhof gefahren.

Anderswo mit dem Leichenwagen das letzte Geleit zu geben, ist nicht in Kretschmers Sinn. Nur in Ausnahmefällen verlässt die Kutsche das Dorf. So wie im März 2011, als man in Elstra bei Kamenz Prinzessin Ruth Laabs zu Grabe getragen hat. Das sei sehr feierlich gewesen, sogar eine Abordnung der Potsdamer Langen Kerls eskortierte den Trauerzug, erinnert sich Kretschmer. Würde und Pietät sind für ihn ohnehin das A und O: „Ein gepflegtes Pferd, eine gute Anzugsordnung, das ist wichtig“, sagt er. Das gehöre einfach dazu.

Bei aller Tradition sorgt sich der Schönauer Landwirt, der durch seine Pferdezucht zu dieser Aufgabe kam, aber auch um den historischen Leichenwagen. Für ein rund 130 Jahre altes Gefährt Ersatzteile zu finden, ist eine Herausforderung. Und zu großen Reparaturen anzusetzen, scheut Kretschmer sich ebenfalls: „Bei so alten Gefährten ist das Risiko groß, dass am Ende alles zusammenbricht“, sagt er. Dennoch wollen die Schönauer ihre Tradition nicht missen – auch wenn der Pferde-Leichenwagen nur bei Sarg-Bestattungen fährt. „Das mit der Urne habe ich anders gelöst“, sagt Udo Kretschmer. Beim Ostritzer Bestattungshaus Klose hatte vor einiger Zeit eine Familie angefragt, ob die Urne des Verstorbenen nicht auch per Pferd zur Grabstelle auf dem Görlitzer Friedhof gebracht werden könnte. „Mit der Kutsche ging es nicht, da habe ich eine extra Halterung direkt am Pferd entworfen und das Tier dann mit der Urne geführt“, erklärt der Schönauer. Diese Neuerung sei eine gute, individuelle und würdevolle Lösung gewesen, bestätigt auch das Ostritzer Bestattungshaus Klose.