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Der letzte Weg des Prager Altkardinals

Am 18. März starb der frühere Prager Erzbischof Kardinal Miloslav Vlk. Jetzt hat er im Veitsdom seine letzte Ruhestätte gefunden.

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© dpa

Hans-Jörg Schmidt, SZ-Korrespondent in Prag

Prag. Ein schwergeprüfter, von einer Krebserkrankung gezeichneter Mann grüßt von seinem Krankenbett aus mit dem „Daumen nach oben“. Dieses Foto des am vergangenen Samstag im Alter vom 84 Jahren verstorbenen Prager Alt-Erzbischofs und Kardinals Miloslav Vlk blendete das tschechische Fernsehen immer wieder in seine Direktübertragung des sehr würdigen Trauergottesdienstes aus dem Prager Veitsdom ein. Es erinnerte immer wieder an das „Victory-Zeichen“, das der langjährige tschechoslowakische und tschechische Präsident Vaclav Havel gern zeigte.

Wer Zeuge des sehr bewegenden Abschieds von Kardinal Vlk war, musste sich zwangsläufig an den von Havel erinnern. Nicht nur, weil der Trauergottesdienst für den früheren Erzbischof wohl die wichtigste und würdevollste Verabschiedung von einem Tschechen seit der von Havel war. Sondern auch, weil beide ein ungewöhnlich enges Band verbunden hatte. Havel, obwohl kein „Kerzlschlucker“, hatte nach seiner Wahl 1989 im Veitsdom an einem Te deum teilgenommen, das Vlk für ihn zelebrierte. Und auch in den Jahren danach fanden beide - gleichermaßen vom alten Regime malträtiert und standhaft geblieben - immer eine gemeinsame Sprache.

Wenn Vlk über Havel sprach, dann immer gütig. So, wie er auch vielen Katholiken in seinem Land für immer in Erinnerung bleiben wird. Der in einer Bauernfamilie in Südböhmen aufgewachsene Vlk war immer dann besonders von Glücksgefühlen erfüllt, wenn er mit „normalen“ Katholiken zusammentraf. Auch Havel hat immer diese Nähe zu seinen Landeskindern gesucht.

Leider konnte Havel Vlk nie in seinem wichtigsten Kampf massiv unterstützen - in dem nach der Rückgabe des von den Kommunisten enteigneten Eigentums der Kirchen. Da waren stets die Prager Regierungen direkte Gegenspieler des Kirchenmannes. Havels Wort hatte zwar moralisches, aber kein rechtliches Gewicht in dieser Frage.

Die Tschechen haben Vlk in diesen Kämpfen auch anders kennengelernt: als einen Mann, der keine Kompromisse kannte. Unrecht müsse wiedergutgemacht werden, war seine Botschaft. Und bei der blieb er, auch wenn die Mehrheit der herzlich unchristlichen Tschechen die Kirche zunehmend als „raffgierig“ bezeichnete. Das völlig fehlende Unrechtsbewusstsein der politischen Klasse (und der Mehrheit der Bevölkerung) hat den Kardinal schwer bekümmert. Gewundert hat er sich freilich darüber nie. Waren es doch häufig alte kommunistische Richter, die in dieser Causa „Recht“ sprachen, und beispielsweise die böhmische Kathedrale, den Veitsdom, am Ende allen Ernstes dem Staat zusprachen.

„Ich habe nichts erreicht“, bedauerte Vlk, als er in den Ruhestand ging. Und er hat sich hernach mit seinem Nachfolger, Dominik Duka, angelegt, der um des lieben Friedens willen auf die böhmische Kathedrale verzichtete.

Jetzt hat Kardinal Vlk im grandiosen Veitsdom seine letzte Ruhestätte gefunden. Das sollte für ihn eine Genugtuung sein. Auch, dass tausende Menschen ihn auf seinem letzten Weg liebevoll und voller Trauer begleitet haben.

Vlk hatte das Glück, zwei Päpste in seinem Land erleben zu können - Johannes Paul II. und Benedikt XVI. Bei diesen Besuchen erwiesen sich die Tschechen anders, als man ihnen immer nachsagte: sie sind keine Gesellschaft von verbohrten Atheisten. Zumindest wissen sie, dass das zwischen Himmel und Erde etwas ist, das man nicht leichthin negieren sollte.

Es wäre dem Alterzbischof zu gönnen gewesen, diesen Auflauf zu seinen Ehren zu sehen. Noch lieber aber wäre es ihm gewesen, wenn diese Zuneigung zu ihm, die er niemals auf sich, sondern stets auf die Kirche bezogen hätte, nicht nur eine Eintagsfliege gewesen wäre.