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Der letzte Tanz

Paare des Tanzclubs Grün Gold aus Görlitz nehmen vom alten Parkett der Stadthalle Abschied. Und hoffen auf den ersten Tanz nach der Wiedereröffnung.

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© nikolaischmidt.de

Von Sebastian Beutler

Görlitz. Juliane Wittig und Ronny Jeschke legen gleich mal mit einem Quickstepp los. Erst am Wochenende ist das Paar vom Görlitzer Tanzclubs Grün Gold Dritter bei den Landesmeisterschaften in ihrer Altersklasse geworden. Ihr furioser Auftakt ist ziemlich mutig, denn das Parkett in der Görlitzer Stadthalle ist an diesem Montagmorgen sehr glatt. Der Staub des Leerstands liegt auf der Tanzfläche, die 3200 Besucher am Wochenende zum Denkmaltag trugen das Ihre dazu bei. Gift sei das für Tänzer, sagt Ingrid Zerbe, die ebenso zu dieser frühen Stunde in die Stadthalle gekommen ist. Zusammen mit ihrem Mann Detlef Zerbe bildet sie das erfolgreichste Tanzpaar der Stadt. Siebenmal gewannen sie in der DDR die nationalen Meisterschaften im Turniertanz. Den fünften Titel sicherten sich die beiden sogar vor heimischem Publikum in der Stadthalle. Das war 1983. Und die Zerbes haben an diesem Tag auch ein Fotoalbum mit, in dem die Siegerurkunde, das Siegerfoto und weitere Bilder von dem Turnier damals zu finden sind.

Es sind Erinnerungen an die große Görlitzer Tanzkultur. Dazu zählte eben nicht nur das sportliche Geschehen, sondern auch der Zuspruch der Görlitzer. „Die Plätze an den Tischen waren schnell verkauft“, erinnert sich Ingrid Zerbe. „Da blieb keiner frei.“ Die Erinnerung schmerzt das Paar im Anblick der heutigen Stadthalle, in der sie nun ihren letzten Wiener Walzer auf das alte Parkett legen. Im nächsten Moment lassen sie sich aber von dem trotzigen Ausruf von Raphael Schmidt mitreißen, der mit Claudia Starke einen langsamen Walzer tanzt. Er hält fünf Jahre Zeit bis 2021 für die Sanierung der Stadthalle für ausreichend und sagt in Anlehnung an die Worte von Kanzlerin Angela Merkel: „Wir schaffen das – und das ist alternativlos.“ Der erste Tanz soll zur Eröffnung der Stadthalle den Zerbes gehören.

Juliane Wittig und Ronny Jeschke sind die jüngsten unter den Paaren, die an diesem Morgen Abschied vom alten Parkett nehmen, das noch im Herbst herausgerissen wird. Zusammen tanzen sie erst seit Mai, doch die Halle kennen sie noch aus ihrer Kindheit. Mit fünf Jahren nahmen sie am Nikolausturnier teil. Als im Tanzclub Grün Gold die Idee zu diesem Abtanzen aufkam, sagten sie spontan sofort zu. Wie auch Olaf und Beate Schmidt sowie die sächsischen Landesmeister Kriemhild und Andreas Barth, die sogar eigens aus Königsbrück nach Görlitz gekommen sind. Sie alle unterschreiben am Ende auf einem Stück des alten Parketts. Als Andenken soll es im Club einen würdigen Platz finden.