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Der letzte Tante-Emma-Laden

Die kleinen Lebensmittelläden sind fast ausgestorben. Heidrun und Christian Berger halten durch.

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© André Braun

Von Cathrin Reichelt

Hartha. Wer den kleinen Laden an der Gerhart-Hauptmann-Straße in Hartha betritt, fühlt sich ein wenig in frühere Zeiten versetzt. Wären da nicht die Lebensmittel in den modernen Verpackungen und die Kühltheke, die so gar nicht zu der anderen Einrichtung passen will. „Die haben wir in den 1990er Jahren durch das Fenster hereingehoben, weil die Tür zu schmal war“, erzählt Heidrun Berger. Gemeinsam mit ihrem Mann Christian hat sie das Geschäft im März 1990 übernommen. Dafür gaben beide ihren Job auf. Sie hatte bis dahin als Kleidungsfacharbeiter und er als Maurer gearbeitet.

Der Laden war für die beiden aber kein Neuland. Die Eltern von Heidrun Berger hatten ihn im Jahr 1952 vom Vorbesitzer Helmut Altenburger übernommen. Auch er bot Lebensmittel an und änderte damit das Sortiment. Denn bis dahin gab es in dem Geschäft ausschließlich Schokolade. Davon zeugt noch ein großer Sarotti-Mohr. Der steht ganz oben auf dem Regal neben einer eisernen Waage und alten Waschmittelpäckchen von Persil, Milva, Sil, Fewa, Ata und Imi. Welche Entwicklung sich bei der Richzenhainer Bierflasche vollzogen hat, sieht der Kunde auf der anderen Seite.

Kinder halfen beim Eintüten

Die dunkelbraunen Regale stammen noch aus den Schokoladenzeiten. Ein bisschen ärgert sich Christian Berger darüber, dass irgendwann die Bleiglastüren mit den Messingbeschlägen abgenommen worden sind. Sie würden das historische Flair noch authentischer machen.

Doch auch so kommen Erinnerungen auf. Die haben so gar nichts mit der heutigen Verkaufskultur zu tun. Die Waage kam fast immer zum Einsatz. „Meine Eltern haben die Butter in einem großen Block bekommen“, sagt Heidrun Berger. An diesem Tag wurde die Küche eingeheizt und die Butter dort gelagert, bis sie ein wenig weicher geworden war. Dann wurde sie mit einer Form in kleine Portionen geteilt. Mandeln und Rosinen kamen lose in Kisten an. „Beim Eintüten wurden wir Kinder immer mit eingespannt“, so Heidrun Berger. Saure Gurken, Sauerkraut und Rollmöpse wurden im Fass geliefert. Für Senf und Essig brachten die Kunden Flaschen mit. „Auch den Käse haben wir bis zur Wende von großen Stücken abgeschnitten.“ All das sei bei den heutigen Hygienevorschriften gar nicht mehr denkbar.

Aber nicht nur das hat sich verändert, sondern auch das Kaufverhalten der Kunden. Die gehen lieber in die großen Supermärkte. „Mit deren Warenvielfalt können wir nicht mithalten“, meint Christian Berger. Von jedem Produkt stehen nur so viele Einzelstücke im Regal, dass man sie an einer Hand abzählen kann. Vor allem das Angebot an frischen Waren hält sich in Grenzen. Denn auf jeder steht ein Verfallsdatum. „Und man kann ja nicht alles selber essen“, meint Christian Berger mit etwas Galgenhumor.

Warenbestand allmählich zurückgefahren

Zwar halten dem kleinen Laden immer noch einige Stammkunden die Treue. Aber auch die erledigen ihren Großeinkauf im Supermarkt – und kommen dann zu den Bergers, wenn sie dort etwas vergessen haben. „Wir haben den Warenbestand allmählich zurückgefahren“, erklärt Heidrun Berger. Schaut man in die Regale, ist ein wenig Ostalgie zu spüren. Da stehen Mardersenf, Döbelner Würstchen, Hallorenkugeln, Riesaer Nudeln Goldmännchen Tee Wurzener Langkornreis, Nordhäuser Doppelkorn und Rotkäppchensekt.

Vor allem mit dem Verkauf von Getränken, zu denen auch Erzgebirgsbräu und Döbelner Brauhaus Pilsner gehören, erwirtschaften sie noch den nötigen Umsatz, um den kleinen Laden offenhalten zu können. Bis Heidrun Berger in Rente geht soll das noch so bleiben. Dann wird der letzte Tante-Emma-Laden in Hartha für immer schließen.