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Der „letzte Dynamo“

Mit Aufstieg und Landespokal ist Paul Schletzke vom Amateurclub SV Schott Jena Großes gelungen. Jetzt wartet im DFB-Pokal gegen den Hamburger SV die nächste Ehre.

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Jena. Das Klingeln seines Telefons lässt Paul Schletzke kaum mehr eine ruhige Minute. Der Abwehrchef des zukünftigen Fußball-Oberligisten SV Schott Jena ist ein gefragter Mann dieser Tage - mehr denn je, seit am Samstag der Erstrundengegner Hamburger SV für den DFB-Pokal feststeht. „Alle wollen Karten für das Spiel. Dabei steht ja noch nichtmal der Termin!“, ruft der 26-Jährige. Und das alles nach einem Jahr, das fußballerisch nicht intensiver hätte sein können: Souveräner Aufstieg, dazu Landespokalgewinn gegen den Favoriten Rot-Weiß Erfurt und jetzt auch noch das Super-Los HSV - Schletzke strahlt über das ganze Gesicht, wenn er auf die vergangenen Wochen zurückblickt.

Paul Schletzke im Juni 2006 im Dynamo-Trikot.
Paul Schletzke im Juni 2006 im Dynamo-Trikot. © SZ/Thomas Lehmann

Kommt man aber auf seinen Heimatverein zu sprechen, kippt beim gebürtigen Dresdner die Stimmung. Der Linksfuß hat die Debatte rund um den Pokalausschluss von Zweitligist Dynamo genaustens verfolgt - zumindest gefühlt ist ihm sein Wunschlos per Schiedsspruch abhandengekommen. „Ich find’s nicht fair“, sagt er und wirkt ein bisschen traurig. „Bei Bundesligavereinen kracht es auch immer wieder. Dort kräht kein Hahn danach“, betont er und ergänzt: „Aber wenn du als Ostclub einmal ein schlechtes Image weg hast, kommst du da nicht mehr raus. Mir scheint es, als hänge da noch viel mit alten Vorurteilen zusammen.“

Gute Dresdner Fußballschule blieb haften

Schletzke verfolgt das Geschehen bei seiner sportlichen Jugendliebe, so oft es der eigene Spielplan erlaubt. Eltern und Bruder wohnen noch immer in Dresden. Obwohl nunmehr seit sechs Jahren in Jena, wird er beim SV Schott noch immer neckisch „der Sachse“ genannt. Schletzke gibt auch zu, dass davon noch ganz viel in ihm steckt. „Manchmal kommt der Dialekt noch durch“, sagt er schmunzelnd.

Vor allem aber sei es die gute Dresdner Fußballschule, die an ihm haften geblieben ist. „Ich kann mich glücklich schätzen, meine Ausbildung dort gemacht zu haben“, betont er. Bei der SGD durchlief Schletzke sämtliche Nachwuchsmannschaften, bis er 2006 schließlich zum Drittligakader gehörte.

Auch wenn er sich letztlich nicht durchsetzen konnte, sei die Zeit unter Trainer Peter Pacult eine enorm wertvolle Erfahrung gewesen. „Er hat viel mit uns Jüngeren geredet und uns immer ein gutes Gefühl gegeben, selbst wenn wir letztlich nur auf der Bank saßen.“ Immerhin einen Pokaleinsatz kann Schletzke aber doch vorweisen: Beim 5:1 gegen Bischofswerda stand er zum denkwürdigen Abschied der „Giraffen“ genannten Dresdner Flutlichtmasten von Beginn an auf dem Feld.

Traumjob in der Kindersportschule

Schließlich führte der Umweg zweite Mannschaft Schletzke nach Jena zum Sportstudium. Bei Schott im Verein hat er sich gleich wohlgefühlt. Zum sportlichen Erfolg, der zuletzt in Oberliga-Aufstieg und Landespokalsieg gipfelte, gesellte sich privates Glück: Schletzke ist vergangenen August erstmals Vater geworden - die kleine Lotta ist nun der ganze Stolz. „Die Geburt meiner Tochter kann kein Fußballglück der Welt aufwiegen“, schwärmt Schletzke.

Dazu hat er als Abteilungsleiter der Kindersportschule seines Vereins einen echten Traumjob für sich entdeckt. An den Wochenenden wartet zukünftig außerdem die neue sportliche Herausforderung. In der neuen Liga wird er auf manchen alten Weggefährten aus seiner Dynamo-Zeit stoßen, weiß Schletzke und er freut sich darauf. „Ansonsten läuft der Kontakt eher auf Sparflamme“, sagt er. Lediglich Marc Hensel habe mit seinem Wechsel zum Chemnitzer FC kürzlich von sich hören lassen.

Im DFB-Pokal wird Schletzke aller Voraussicht nach der einzige „echte Dynamo“ sein. Der Gedanke ist ihm selbst noch gar nicht gekommen. „Bin ich jetzt so was wie der letzte Mohikaner? Mit der Wahrnehmung wird das Spiel natürlich zum doppelten Erlebnis“, sagt er und lacht. „Das ist schon cool, das von sich sagen zu können. Vielleicht zieht es außer meiner Familie ja noch wen aus Dresden ins Stadion.“ (dpa)