Merken

Der letzte Blick ins Erbgericht

Der Schandfleck in Kreischa soll saniert werden, Wohnungen entstehen. Die SZ war vor Baustart noch mal in der Ruine.

Teilen
Folgen
© Andreas Weihs

Kreischa. Es ist düster, Fenster wurden mit Brettern vernagelt. Die Toiletten im Erdgeschoss des alten Gasthofs „Zum Erbgericht“ in Kreischa sind in überraschend gutem Zustand. In der ehemaligen Gaststätte türmen sich Bretter. Überall ist Staub. Man muss aufpassen, wohin man tritt. Alles ist irgendwie morsch. Dielen knarren. „Folgen Sie mir, dann kann nichts passieren“, sagt Bauleiter Gerhard Bobe.

Seltene Einblicke

Das Erbgericht Kreischa steht seit 2001 leer, die Gaststätte schloss bereits vor 43 Jahren. Nun bekommt das Haus eine Frischekur.
Das Erbgericht Kreischa steht seit 2001 leer, die Gaststätte schloss bereits vor 43 Jahren. Nun bekommt das Haus eine Frischekur.
Bauleiter Gerhard Bobe von der Dresdner Firma LLB. Am Erbgericht wird der Kreischaer wohl bis 2019 im Einsatz sein.
Bauleiter Gerhard Bobe von der Dresdner Firma LLB. Am Erbgericht wird der Kreischaer wohl bis 2019 im Einsatz sein.
Der Große Saal wird saniert, hier entstehen Wohnungen.
Der Große Saal wird saniert, hier entstehen Wohnungen.
Die Saaldecke mit ihren Bildern und Ornamenten wird erhalten – allerdings unter den Zimmerdecken der neuen Wohnungen.
Die Saaldecke mit ihren Bildern und Ornamenten wird erhalten – allerdings unter den Zimmerdecken der neuen Wohnungen.
Der Verfall ist deutlich sichtbar.
Der Verfall ist deutlich sichtbar.
Hier sollte niemand mehr umherlaufen. Aber die Wendeltreppe wird erhalten und in eine Maisonettewohnung integriert.
Hier sollte niemand mehr umherlaufen. Aber die Wendeltreppe wird erhalten und in eine Maisonettewohnung integriert.
Hier waer mal der Rang ... Lassen Sie die folgenden Bilder einfach auf sich wirken.
Hier waer mal der Rang ... Lassen Sie die folgenden Bilder einfach auf sich wirken.
Beim Blick nach oben kann man kaum glauben, dass hier etwas zu retten ist.
Beim Blick nach oben kann man kaum glauben, dass hier etwas zu retten ist.
Historisch wertvolle Details der Fassade werden erhalten oder wiederhergestellt.
Historisch wertvolle Details der Fassade werden erhalten oder wiederhergestellt.
Hier geht es zu den Wohnungen. Wo Wohnungen waren, kommen auch wieder Wohungen rein. Und dazu noch einige mehr.
Hier geht es zu den Wohnungen. Wo Wohnungen waren, kommen auch wieder Wohungen rein. Und dazu noch einige mehr.

Der 57-Jährige von der Firma LLB aus Dresden-Lockwitz steht in dem klobigen Denkmalbau am Haußmannsplatz in der Ortsmitte von Kreischa. Nebenan laufen die ersten Bauarbeiten. Die beiden Nebengebäude werden peu à peu abgerissen. Dort sollen Parkflächen, Garagen und zwei Wohnungen entstehen. Der Hof wird überdacht.

Doch auch für den massiven Viergeschosser wird es bald ernst. Das rund 140 Jahre alte Gebäude ist ein Schandfleck. Bis zum Frühjahr 2019 – so der Plan der Eigentümer – soll aus dem früheren Gasthof ein echtes Schmuckstück werden.

2012 hatte die Schloß Borthen GmbH aus Dohna das Haus gekauft. Sie will im Erbgericht 15 Mietwohnungen schaffen. Je 50 bis 150 Quadratmeter groß sollen sie sein. Interessenten können sich bereits die Grundrisse beim Eigentümer anschauen. Im Erdgeschoss sind zudem zwei Ladenflächen und eine Art Tiefgarage geplant. Die denkmalgerechte Sanierung wird laut Investoren „mit Sicherheit mehr als zwei Millionen Euro kosten“.

Zunächst wird die Wand an der Hofseite abgerissen und durch einen Neubau ersetzt. „Von der Statik her wurde das alte Mauerwerk nicht mehr zugelassen“, sagt Bauleiter Bobe. Er weist den Weg durch das seit Jahren verwaiste Haus.

Der Holzwurm hat sich hier durch das Gebälk gefressen. Herausgerissene Bodenteile hier und da. Farbe blättert von den Wänden. Plakate, wohl aus der Wendezeit, lehnen daran. „Reformer kommen, Reformer gehen, doch Kreischa bleibt bestehen!“, ist auf einem zu lesen. Löcher säumen die Decken. Das Dach des Erbgerichts war schon lange undicht.

Ein Millionenprojekt

Die Jahre des Leerstands haben ihre Spuren hinterlassen. Vandalen haben sich zudem hier zu schaffen gemacht. Die zwei großen Spiegel des Saals wurden zerschlagen, sind weg. Müll häufte sich an. Vieles davon wurde seit Jahresbeginn entfernt. Regenwasserrohre wurden bereits ertüchtigt, Gebäudeteile gesichert. Trotzdem ist das Erbgericht derzeit eine Ruine.

Früher war es allerdings ein beliebtes Ausflugsziel. Alle 14 Tage fanden hier Tanzabende statt. Kinderfasching und viele andere Veranstaltungen gab es auch. Das Lokal wurde 1974 an die Gemeinde verkauft, nachdem der letzte Besitzer verstorben war. Das war Alois Jedlicka, der letzte Wirt. Er hatte den Gasthof 1956 übernommen, führte ihn privat, erzählt seine Tochter Christine Wohllebe. Nach dem Tod des Vaters habe ihre Mutter lange alleine im Haus gelebt. Eine Imbissbude eröffnete zwischendurch, hielt sich aber nicht lange. Noch zu DDR-Zeiten reparierte die Gemeinde das Haus notdürftig. Einige der Wohnungen darin waren noch vermietet. Seit September 2001 steht das Erbgericht aber leer.

Das massive ortsprägende Haus verfiel, 2010 drohte sogar der Abriss des Saals. Mit dem neuen Eigentümer kam jedoch die Wende. Und nun wird saniert. (skl)