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Der Lebensretter aus Reichenberg

In Job und Freizeit dreht sich bei Maik Zscheile alles um Notfälle. Er will anderen die Angst zu helfen nehmen. Denn der größte Fehler ist Untätigkeit.

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© Arvid Müller

Von Ulrike Keller

Reichenberg. Er hat die Gabe, oft zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Nicht für sich, sondern für andere. „Irgendwie werde ich von Katastrophen angezogen“, sagt Maik Zscheile und runzelt die Stirn. Wenn er mit seiner Familie unterwegs ist, weiß diese inzwischen um die hohe Wahrscheinlichkeit, just zu einem Notfall dazu zu kommen. Ob nun beim Wochenendeinkauf oder auf der Fahrt in den Urlaub.

Für die Unfallopfer kann es indes keinen größeren Glücksumstand geben. Denn Maik Zscheile ist erfahrener Lebensretter. Seit 36 Jahren engagiert er sich bei der freiwilligen Feuerwehr, seit 14 Jahren als Leiter der Wehr in Reichenberg, wo er seit Langem wohnt. Und obendrein hat er diese Berufung zum Beruf gemacht.

Wenngleich dafür ein kleiner Umweg nötig war. „Ich bin leidenschaftlich gern Lkw gefahren“, erzählt er. Viele Jahre transportierte er Lebensmittelladungen auf den Straßen der gesamten Bundesrepublik. Doch schließlich zwangen Probleme mit der Bandscheibe zum Berufswechsel.

Vor zehn Jahren schulte er darum zum Kaufmann um und machte sich dann selbstständig als Dozent für Notfallmedizin. In Kooperation mit der Sanitätsschule Medicus bildet er Ersthelfer aus. Auch die Kameraden zahlreicher Feuerwehren in der Region trainiert er regelmäßig. Hunderte Kurse kommen seit seiner Existenzgründung im Jahr 2011 zusammen.

Die wichtigste Botschaft von Maik Zscheile ist: „Jeder kann helfen!“ Immer wieder begegnet er Menschen, die im Notfall untätig bleiben – aus Angst, etwas falsch zu machen. „Nichts zu unternehmen, ist der größte Fehler“, sagt er. Auch wer sich die Mund-zu-Mund-Beatmung und Herzdruckmassage nicht zutraut, kann am Unfallort drei grundlegende Dinge tun: den Verletzten ansprechen, seine Atmung überprüfen und die 112 wählen. Schon, wer bei dem Verunfallten bleibe und ihn beruhige, helfe ungemein.

Ein häufiger Fehler, der ihm in der Praxis immer wieder auffällt: Unfallstellen werden nicht gesichert. „Dazu gehört, das Warndreieck in ausreichender Entfernung aufzustellen und sich eine Warnweste anzuziehen“, erklärt er. Wer mit dem Auto in die Ferien verreist, sollte schon beim Packen daran denken, dass das Warndreieck und die Warnwesten für alle Insassen griffbereit verstaut werden.

Außerdem beobachtet der 52-Jährige in letzter Zeit verstärkt, dass den Rettungskräften auf der Autobahn durch das Zustellen sämtlicher Spuren der Zugang zum Unfallort versperrt wird. Sein Appell an alle am Steuer: „Fangen Sie an, am Stauende eine Rettungsgasse zu bilden!“ Die Regel besagt dabei: Gibt es zwei Spuren, ist in der Mitte eine Gasse in der Breite eines Feuerwehrfahrzeugs zu schaffen. Und der Randstreifen ist frei zu lassen.

Aus eigener Erfahrung weiß der Rettungsspezi: „Notfälle mit Kindern sind das Schlimmste.“ Selbst bei langjährigen Kameraden sei schon vorgekommen, dass sie in eine Art Schockstarre fielen, als plötzlich das eigene Kind betroffen war. In jedem Fall sollten bei Unglücken Kinder schnellstmöglich vom Geschehen abgeschottet werden, rät Maik Zscheile. Auch das können Laien ohne Übung übernehmen.

Allerdings ist er überzeugt: Die Angst, am Unfallort zu helfen, verliert sich, sobald man weiß, was zu tun ist. Etwa durch ein Notfalltraining. Ersthelfer in Firmen müssen die Schulung aller zwei Jahre absolvieren. Seltsamerweise gibt es eine solche Pflicht für Autofahrer nicht. Bei ihnen ist zur Auffrischung der Erste-Hilfe-Kenntnisse Einsicht und Eigeninitiative gefragt.

Karambolagen, Brände, Selbstmorde – Maik Zscheile hat in fast vier Jahrzehnten Rettungseinsatz allerhand erlebt. Zu schaffen macht ihm das Erlebte bislang nicht. „Ich habe ein dickes Fell“, sagt er. „Und ich brauche positiven Stress.“ Auf die Frage, ob er in schwierigen Situationen Angst kenne, antwortet er: „Höchstens vor der Dummheit eines anderen.“ Er wisse, dass er helfen kann. „Und dann schaue ich mir vor Ort die Lage an und entscheide, was zu tun ist.“

Was ihn selbst antreibt in dieser Mission? Natürlich Menschenleben zu retten. Ein gewisses Helfersyndrom will er gar nicht verleugnen. Doch da ist noch etwas, wie er verrät: „Wenn ich mal irgendwo liege, hoffe ich, dass auch mir jemand hilft.“

www.maik-zscheile.de