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Der lange Weg zur Arbeit

So viele Pendler wie heute hat es in Dresden noch nicht gegeben. Viele davon wohnen im Rödertal.

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© Thorsten Eckert

Von Sandro Rahrisch und Jens Fritzsche

Rödertal. Nein, eine Handy-App, die ihm die schlimmsten Staufallen aktuell aufs Smartphone „zaubert“ braucht Frank-Peter Wieth nicht. Der Ullersdorfer kann Staus auf der Strecke von Ullersdorf bis in Dresdner Zentrum hinein besser als jeder Satellit voraussagen. Frank-Peter Wieth pendelt jeden Morgen mittenrein nach Dresden; und abends wieder zurück. Der Ullersdorfer ist ja bekanntlich nicht nur nebenberuflich Ortsvorsteher und Chef der CDU-Stadtratsfraktion in Radeberg, sondern hauptberuflich als Referatsleiter im Ministerium von Sachsens Integrations-Ministerin Petra Köpping (SPD). Und er ist damit einer von fast 90 000 Berufspendlern, die täglich nach Dresden kommen, um hier Geld zu verdienen.

© SZ-Grafik

So viele Einpendler gab es noch nie, wie die Stadtverwaltung mitteilt. Mehr als ein Drittel aller Arbeitsplätze in der Landeshauptstadt wird inzwischen von Auswärtigen besetzt. Knapp die Hälfte der Pendler kommt aus den Nachbarstädten und -gemeinden. Ganz vorn dabei sind die Radebeuler, Pirnaer und Radeberger. Um zu arbeiten, machen viele Menschen auch vor den Ländergrenzen nicht halt. So sind in Dresden insgesamt 3 598 Brandenburger, 1 448 Sachsen-Anhalter, 1 433 Thüringer und 1 326 Berliner beschäftigt, wie die neuste Statistik zeigt. Stau, Stress und wenig Freizeit: Laut Arbeitsagentur nehmen Pendler diese Nachteile in Kauf, wenn sie damit überhaupt einen Job haben und dieser obendrein noch attraktiv ist. Eine gute Anbindung per Autobahn, Zug und Bus helfe, sich für eine Arbeit außerhalb des eigenen Wohnorts zu entscheiden.

Wobei Frank-Peter Wieth mit seinem Weg von Ullersdorf aus nicht zu denjenigen mit wirklich weiter Anfahrt gehört. Aber mitunter wird aus „nicht weit“ trotzdem „ganz schön lange“. Denn egal, welche Strecke der Ullersdorfer nutzt – über die Bautzener Straße oder die Grundstraße hinunter zum Blauen Wunder –, überall lauern die Staufallen. „Auf der Bautzener Straße geht’s ja gleich nach dem schwierigen Ullersdorfer Platz am Weißen Hirsch weiter“, weiß Frank-Peter Wieth. Die Ampel dort, sagt er, bremse den Verkehr regelmäßig aus. Aber auch auf der Grundstraße geht’s morgens nicht wirklich schneller. Vom Körnerplatz aufwärts staut sich die Pendlerschlange. „Am schlimmsten ist es so um sieben Uhr morgens, ab um acht geht es dann schon wieder“, hat der Ullersdorfer beobachtet. Abends geht’s für ihn dann aber meist entspannt zurück – „ich mache mich ja oft nicht vor 20 Uhr auf den Heimweg, da ist dann nicht mehr so viel los“, erläutert er. Zumindest, wenn das Wetter mitspielt. „Denn sobald Schnee liegt, wird’s natürlich richtig dicke – da brauche ich dann hin und wieder schon mal anderthalb Stunden …“

Schwer, Leute in der Region zu halten

Rund 10 000 Arbeitsplätze könnten in Dresden nicht besetzt werden, sollten alle Pendler von heute auf morgen nicht mehr in die Stadt kommen, rechnete das Dresdner Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung noch vor sieben Jahren aus. Inzwischen dürfte die Zahl bei über 14 000 Stellen liegen, schätzt Lars Fiehler, Sprecher der Industrie- und Handelskammer (IHK) in Dresden. So sehr sich die Bürgermeister der Nachbargemeinden auch freuen, wenn sie Einwohner haben, die gut Geld verdienen, sich ein Haus bauen können und ihr Einkommen in der Region ausgeben, so gebe es auch eine Kehrseite des Pendelns. „Wenn sie branchenübergreifend Arbeitgeber in diesen Regionen fragen, machen viele deutlich, dass sie es schwer haben, Leute zu finden und zu halten.“ Denn für die gleichen Jobs werde in Dresden etwas mehr bezahlt.

Neuesten Umfragen zufolge setzen sich reichlich zwei Drittel der Pendler ins Auto, nur 14 Prozent nutzen die öffentlichen Verkehrsmittel. Der Verkehrsverbund Oberelbe würde gern noch mehr Menschen in seinen Zügen sehen. So wird ab April zum Beispiel der Takt der S-Bahn-Linie 1 zwischen Meißen und Dresden-Hauptbahnhof verdichtet. Zumindest im Berufsverkehr fahren sie dann im Viertelstunden-Takt. Fortgeschrieben werden soll das Park-und-Ride-Konzept. Das hatte Umweltbürgermeisterin Eva Jähnigen (Grüne) im vergangenen Jahr erklärt. Acht Plätze mit etwa 500 Stellflächen hat Dresden derzeit, unter anderem am Bahnhof Klotzsche, am Elbepark und in Prohlis. Einen Umstieg vom Auto auf die Bahn dürfte auch der Plan der Stadtverwaltung auslösen, die Parkgebühren im Zentrum anzuheben.

Umstieg auf den ÖPNV kompliziert

Für Frank-Peter Wieth wäre der Umstieg auf Bus oder Straßenbahn auch aus anderen Gründen schwierig: „Zum einen, weil ich flexibel sein muss, und es abends eben auch mal länger geht – und dann ist es schwierig, noch einen Bus nach Ullersdorf zu bekommen.“ Die Stadt hat zwar eine Magnetwirkung, wird immer wieder betont. Allerdings verlassen auch viele Dresdner das Tal, um arbeiten zu gehen. Den etwa 90 000 Einpendlern stehen fast 52 000 Auspendler gegenüber. Auch diese Zahl ist laut kommunaler Statistikstelle in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Schaut man sich die Nachbargemeinden an, so liegen die Arbeitsplätze vor allem in Radebeul, Radeberg, Pirna und Freital. Bei den Bundesländern sind es Bayern, Berlin, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg, wohin die Dresdner zum Jobben fahren und fliegen.