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Der Knirps und der Kanzler

Wenn Helmut Kohl heute nach Dresden kommt, ist auch eine Familie dabei, die eine besondere Erinnerung mit ihm verbindet.

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Von Anna Hoben

Damals, als Politiker noch Popstars sein konnten, selbst wenn man ihnen überdeutlich ansah, dass ihr Lieblingsessen auf gar keinen Fall nur der Pfälzer Saumagen sein konnte. Damals, als Kinder noch eifersüchtig waren, wenn die große Schwester dem Popstar-Politiker die Hand gegeben hatte. Damals traf Franco, der Dresdner Knirps, auf Helmut Kohl, den Bundeskanzler.

Es war im Dezember 1991, der zweite gesamtdeutsche Parteitag der CDU. Franco war knapp drei Jahre alt. Seine Mutter und seine 17-jährige Schwester Daniela arbeiteten am Einlass des Kulturpalastes, wo die Politiker debattierten. Am Abend erzählte Daniela ihrem kleinen Bruder: „Helmut Kohl hat mir die Hand gegeben, ätsch, und dir nicht.“ Das wollte Franco auch.

Am nächsten Tag nahm seine Großmutter Ruth Kopta ihn mit in die Hofkirche. Bischof Reinelt hielt die Messe. In den hinteren Reihen saßen Politiker vom CDU-Parteitag. Franco war hergekommen, weil er Kohl treffen wollte, klar, aber das war zunächst in den Hintergrund gerückt. Schließlich war da noch ein anderer Herzenswunsch, genauso wichtig, wenn nicht viel wichtiger: Franco wollte zu Weihnachten ein Matchbox-Parkhaus haben, um seine Autos hinabsausen zu lassen. Die Großmutter sagte, 70 Mark sind zu teuer. Und nun war auch noch der Bischof in der Sakristei verschwunden. Franco hatte ihn für den lieben Gott gehalten, und wen sollte man um ein Matchbox-Parkhaus bitten, wenn nicht den lieben Gott.

Quasi als Entschädigung nahm die Oma den Enkel mit nach hinten, wo in einer Bank noch der Kanzler saß. „Guten Tag, Onkel Dohl“, sagt Franco. Kohl grüßte zurück und fragte: „Hast du auch Hunger?“ – „Sehe ich so aus?“, fragte Franco. Und sagte später zur Oma: „Ich hätte Onkel Dohl nach dem Autohaus fragen sollen.“ Als die Umstehenden das mitbekamen, steckten sie Ruth Kopta ein wenig Geld zu. Und so kam Franco am Ende doch zu seinem Parkhaus. In den darauffolgenden Jahren gingen immer wieder Briefe hin und her zwischen Kohls Büro und Ruth Kopta.

Wenn heute im Albertinum an Kohls Rede vor der Frauenkirchen-Ruine 1989 erinnert wird, dann sind auch der heute 25-jährige Franco Hein, seine Mutter und seine Oma Ruth Kopta dabei. Die Adenauer-Stiftung fand die Geschichte so rührend, dass sie die drei prompt eingeladen hat.