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Der Kellei auf der Spur

Vielen ist die Kesselsdorfer Straße als „Kellei“ bekannt, anderen ist der Begriff fremd. Woher kommt der Kosename? Eine Spurensuche.

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Von Tobias Hoeflich

Mit Spitznamen ist es so eine Sache. Manche sind derart verbreitet, dass sie offizielle Bezeichnungen gar verdrängt haben. Oder welcher Dresdner benennt das Blaue Wunder bei seinem eigentlichen Namen Loschwitzer Brücke? Beim Begriff „Kellei“ für die Kesselsdorfer Straße wird es schon spezieller. Ein Spätshop in der Hausnummer 60 ist danach benannt. Doch abseits des Kellei-Store gibt es wenig Handfestes, das den Kosenamen dokumentiert.

Für viele Einheimische gehört der Begriff Kellei wie selbstverständlich zum Dresdner Wortschatz. Andere haben ihn noch nie gehört. Als die SZ im August einen Artikel zum geplanten autofreien Boulevard auf der Kesselsdorfer veröffentlichte, nahm im Internet eine Diskussion an Fahrt auf. Nicht aber zum Boulevard, sondern über den Begriff Kellei, der im Text genannt wurde. „Ich bin geborener Dresdner, habe aber noch nie etwas von einer Bezeichnung namens ‚Kellei‘ gehört“, wunderte sich ein Kommentator und bekam Unterstützung: „Ich bin 1943 geboren und Dresdner. Es gab nie eine Kellei. Es gab den Dreikaiserhof, Froschcotte, Kuhlöbte und Fickpieschen“, schrieb ein Nutzer.

Im Volksmund geboren?

Doch auch die Kellei-Befürworter meldeten sich zu Wort. „Als alter Dresdner vom Weißen Hirsch kenne ich den Begriff Kellei schon seit den 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts“, schrieb Peter Jahn. Auch Fanny May zählt sich zu den Kellei-Kennern: „Ich habe als Kind von 1979 bis 1986 am damaligen Clara-Zetkin-Platz gewohnt und kenne gar keinen anderen Ausdruck als Kellei.“ Ein Nutzer spottete gar über die Namens-Verweigerer: „Sich als der große Dresdner ausgeben und den Namen Kellei nicht kennen, das passt nun wirklich nicht zusammen. Manche Leute und ihre Anmerkungen sind ungewollt witzig!“

Dass der Begriff zumindest existiert, ist leicht zu beweisen – nicht nur durch den Kellei-Store. Auch der Gewerbeverein Kesselsdorfer Straße nutzt diesen Spitznamen. Doch woher er kommt und aus was er sich ableitet, vermag dessen Mitglied Karin Woittennek nicht zu sagen: „Da streiten sich die Leute schon immer. Manche reden auch von Kessi, andere sagen, es hieß schon immer Kellei.“

Kessi klingt zumindest logischer, da es sich eindeutig von der Kesselsdorfer Straße ableitet, sagt Lars Herrmann. Der 46-Jährige betreibt seit Jahren das Internetportal „Dresdner Stadtteile“ und setzt sich dort mit der Geschichte Löbtaus, Plauens und Co. auseinander. Der Name Kellei ist auch ihm ein Begriff, der Ursprung aber ein Rätsel: „Eine Quelle zur Herkunft gibt es nicht“, sagt Herrmann. Sicher ist er sich, dass der Name zu Beginn des 20. Jahrhunderts dem Dresdner Volksmund entsprang. Schon vor den Weltkriegen war die Bezeichnung Kellei für die Kesselsdorfer geläufig. „In einem Buch von 1892, das ich besitze, steht davon aber noch nichts.“

Dass der Begriff wohl um die hundert Jahre auf dem Buckel hat, glaubt auch der Hobbyhistoriker Eberhard Engel. Seit über 50 Jahren forscht er in der Dresdner Stadtgeschichte. „Ich kenne den Begriff schon aus meiner Jugend“, berichtet Engel – obwohl er auf der anderen Elbseite in der Neustadt aufwuchs. Vermutlich sei der Begriff schlichtweg im Volksmund geboren. „Aber das Warum, Weshalb, Weswegen ist nirgends überliefert.“

So bleibt es wohl ein Geheimnis, wer die viersilbrige Kesselsdorfer einst als Erster kurz und knackig zur Kellei ummünzte. Und warum sich der Begriff gegenüber dem logisch klingenden Kessi durchgesetzt hat. Theorien dazu lassen sich gewiss bei einem Bierchen in geselliger Runde ausgiebig erörtern. Vielleicht ja im Kellei-Store.

Haben Sie Hinweise, wann und mit welchem Hintergrund der Begriff Kellei entstanden sein könnte?
Schreiben Sie an [email protected]