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Dresdens Kampf gegen die Wildpinkler

Das Bier muss irgendwo hin und landet immer öfter an Hauswänden und auf Spielplätzen. Jetzt gibt es einen Plan.

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© René Meinig

Von Julia Vollmer

Denise Schmitt stinkt es gewaltig. Öffnet sie am Morgen ihr Küchenfenster, prallt ihr eine Wand aus unappetitlichen Gerüchen entgegen. „Mir wird regelmäßig schlecht von dem beißenden Uringestank“, erzählt die 33-Jährige. Sie wohnt mit ihren zwei Kindern auf der Alaunstraße gegenüber der bunten Ecke. Dort wo die Böhmische und die „Alaune“ aufeinandertreffen, kommt abends eine bunte Mischung von Menschen zusammen. Und je später der Abend und je höher die Anzahl der getrunkenen Biere desto häufiger benutzen die Feierfreunde nicht das dortige Urinal, sondern Ecken und Hauseingänge.

Es wird nicht besser, wenn sie ihre ein und vier Jahre alten Kinder angezogen hat und es zum Rutschen und Toben auf die Spielplätze geht. „Besonders schlimm sind der Geruch und die Hinterlassenschaften auf dem Spielplatz Louisengrün und an der Böhmischen Straße“, so die junge Mutter. Der Zugang zur Nordbad-Passage wird inzwischen nachts zugeschlossen, da sich die Anwohner beschwerten. Seit das Café Continental aus der Initiative „Nette Toilette“ des Ortsamtes Neustadt ausgestiegen ist, hat sich das Problem zugespitzt, erzählen genervte Bewohner.

Die Beobachtungen von Denise Schmitt bestätigt auch Stadtsprecher Karl Schuricht: „Wildpinkler sind besonders auf der Louisenstraße, im Zugang zum Nordbad und im Umfeld der Scheune ein Problem“.

Extrem wird die Lage bei der Bunten Republik Neustadt, heißt es aus dem Rathaus. Dann schwimmen die Spielplätze im Kiez geradezu, und das, obwohl es genug Toiletten im Festgebiet gibt. Besonders betroffen sind die Spielplätze an der Förstereistraße, Sebnitzer Straße, Talstraße, Louisenstraße und Böhmischen Straße. Besserung ist am Alaunplatz in Sicht. Anwohner beschwerten sich hier jahrelang über die Geruchsbelästigung. Seit der Eröffnung der öffentlichen Toilette wird es besser. Außerdem ließ die Stadtverwaltung die Sträucher weit zurückschneiden. Kosten für diese Arbeiten kann das Rathaus nicht nennen.

André Barth, der findige Ortsamtsleiter für die Neustadt, testet gerade ein Erfolgsprodukt frisch vom Kiez auf St. Pauli – der „Antipinkel-Lack“. Auf die Hauswand aufgetragen, „pullert“ der Anstrich auf den Übeltäter, indem der Strahl von der Wand zurückprallt. Wer einmal mit nassen Klamotten dagestanden hat, überlegt sich eine Wiederholung offenbar gut. In Hamburg ist der Lack ein Erfolg. „St. Pauli pinkelt zurück“ heißt dort die Aktion der Anwohner. Ein Schild weist auf die Wirkung hin und wer nicht hören will, muss seine Hose wechseln. Für eine typische Sechs-Quadratmeter-Fläche geben die Hanseaten 500 Euro aus. In der Neustadt gibt es jetzt eine Testhauswand. Wo die ist, will der Ortsamtsleiter nicht verraten.

Das gleiche Problem wie Denise Schmitt in der Neustadt hat auch Anke Richter. Die 38-Jährige geht mit ihrem Sohn regelmäßig zum Spielen in den Großen Garten. Im Sommer sei der Gestank oft unerträglich, sagt sie. Uli Kretzschmar, vom zuständigen Schlösserland Sachsen, kennt das. „Dynamo-Spiele sind für uns eine Herausforderung. Danach müssen wir vermehrt die Hinterlassenschaften der Zuschauer und den Müll wegräumen.“ Allein vier seiner Mitarbeiter sind nach den Spielen beschäftigt, Kosten dafür will er nicht nennen. Es gibt im Großen Garten vier öffentliche Toiletten, die kostenfrei sind. Dynamo wiegelt ab. Wildpinkeln sei dem Verein als Problem nicht bekannt. Es gebe genug Toiletten im Stadion, so Sprecher Henry Buschmann. Was nach dem Spielende passiert, weiß der Sprecher nicht.

Egal wo, erwischen lassen sollten sich die Freiluftpinkler nicht. Denn das ist verboten und kann teuer werden – bis zu 1 000 Euro. Bis Ende Juli lagen deshalb im Ordnungsamt schon 57 Anzeigen vor.