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Der Kampf der Alteingesessenen

Eisenwaren Lindner schließt. Die Nachricht sorgte für Aufsehen. Die privaten Läden mit langer Tradition werden weniger.

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© Norbert Millauer

Von Nina Schirmer

Radebeul. Es ist eine Nachricht, die viele Radebeuler bestürzt hat: Eisenwaren Linder in der Bahnhofstraße muss schließen. Und das nach 135 Jahren Geschäftsgeschichte. Seit die Ausverkaufsschilder im Fenster hängen, ist der Aufschrei groß. Doch die schwere Situation kam für die Ladenbesitzer nicht von heute auf morgen. Über die Jahre wurden die Kunden immer weniger.

Heiko und Bernd Grundkötter haben das Geschäft vom Vater übernommen.
Heiko und Bernd Grundkötter haben das Geschäft vom Vater übernommen. © Norbert Millauer
Holm Sandner führt die Weinhandlung Andrich in dritter Generation.
Holm Sandner führt die Weinhandlung Andrich in dritter Generation. © Norbert Millauer

Ein Schicksal, mit dem auch andere alteingesessene Händler zu kämpfen haben. Kerstin Köhler, Inhaberin der Stern-Drogerie auf der Moritzburger Straße, kann die Entscheidung des Haushaltwarengeschäfts nachvollziehen. „Bevor man sich verschuldet, muss man schließen“, sagt sie. Auch ihre Drogerie hat eine über hundertjährige Geschichte. Seit 1965 ist sie in Familienbesitz. Doch die Stammkunden werden immer weniger. „Früher hatten die Leute in Radebeul Arbeit und haben auch hier eingekauft“, sagt die 56-Jährige. Inzwischen kämen die meisten höchstens am Sonnabend in die Geschäfte. Wenn überhaupt. Die Geschäftsfrau hofft, dass sich die Radebeuler wieder auf die kleinen Läden vor Ort besinnen. „Die Kunden bestimmen, ob die Geschäfte überleben können.“ Auch die Verantwortlichen, die sich für die Interessen der Stadt einsetzen, könnten ruhig öfter vor Ort einkaufen, findet sie.

Kerstin Köhler kennt die meisten ihrer Kunden mit Namen. Das Miteinander macht für die Verkäuferin das Wohnen in einer Stadt aus. Doch sie selbst ist froh über jedes Jahr, das sie geschafft hat und hofft, bis zur Rente durchzuhalten. Danach wird das Geschäft wahrscheinlich schließen. Denn ihre Kinder werden die Drogerie nicht übernehmen.

Es braucht ein Aufwachen in der Bevölkerung, findet auch Ute Sauermann, Chefin der gleichnamigen Buchhandlung an der Meißner Straße in Radebeul-West. Es macht sie traurig, dass Eisenwaren Lindner schließt. „Die sind ähnlich wie wir ein Geschäft, dass von mehreren Generationen geführt wurde“, sagt sie. Die Buchhandlung hat ihr Großvater Heinrich Sauermann schon 1922 in Leipzig gegründet. Bis 2007 führte ihr Vater das Geschäft. Viele Radebeuler seien froh, dass es in der Stadt noch eine private Buchhandlung gibt, sagt Sauermann. Auch junge Leute, vor allem Mütter mit kleinen Kindern, suchen hier nach Büchern und werden individuell beraten. Und trotzdem kann das Geschäft allein davon nicht leben. „Wir verkaufen auch Bücher an Firmen und Bibliotheken“, sagt Sauermann. „Ansonsten gebe es uns schon nicht mehr.“

Zur Buchhandlung gehört auch ein Antiquariat in der ersten Etage. Im Keller wird außerdem Wein angeboten. Das sind zwei weitere Standbeine, um das Geschäft abzusichern. Das Weihnachtsgeschäft lief gut. Aber es gibt auch Zeiten, in denen der Umsatz dünner ist, sagt die Buchhändlerin. „Und die können lang sein.“ Die Räume des Buchladens gehören der Familie. So muss Sauermann zumindest keine Miete zahlen.

Dieses Glück hat Bernd Grundkötter nicht. Zusammen mit seinem Bruder führt er das Modellbahnfachgeschäft auf der Hauptstraße, wo die Ladenmieten nicht gerade nierig sind. Das Geschäft wurde nach dem Zweiten Weltkrieg von der Firma Radio-Domann gegründet. Seit 1994 ist es in Besitz der Familie Grundkötter. „Wir leben von unseren Stammkunden“, sagt der 48-Jährige. Doch das sind vor allem ältere Leute. Der Nachwuchs wird immer weniger. Und viele kaufen die Teile für ihre Modellbahn online. „Es ist schwer, mit den Preisen im Internet mitzuhalten“, sagt Grundkötter. Kleinere Teile für zwei oder drei Euro würden noch viel in seinem Laden gekauft. Hochpreisige Dinge immer weniger. Grundkötter hofft, dass sich endlich beim Thema Parkflächen auf der Hauptstraße etwas tut. Dann könnten seine Kunden wenigstens bis an den Laden heranfahren.

Nur wenige Meter entfernt liegt die Weinhandlung Andrich, ein weiteres Traditionsgeschäft der Stadt. Die Firma hat ihren Ursprung 1877 in Dresden. Seit 1947 gibt es das Geschäft auf der Sidonienstraße. Holm Sandner führt die Weinhandlung in dritter Generation. Die Fachgeschäfte gehören zur Identität der Stadt, sagt Sandner. Für ihn hat sich die Situation seit der Sanierung des Einkaufsgebiets Ost verbessert. „Die Leute machen hier ihre Besorgungen und kommen so auch an der Weinhandlung vorbei“, sagt der 52-Jährige.

Der Arbeitsaufwand ist trotzdem enorm. Den Laden einfach nur offen zu halten, würde nicht reichen, sagt Sandner. „Man muss sich immer etwas Neues einfallen lassen.“ Das Fachgeschäft veranstaltet deshalb auch Wein- und Whiskyverkostungen in der eigenen Weinstube. Die größte Konkurrenz sind die Discounter, die Wein in großer Menge sehr billig verkaufen. Dafür aber zum Teil in schlechterer Qualität und mit weniger Beratung.

Viele Händler sind besorgt über die Schließung vom Eisenwarengeschäft Lindner. „Da macht man sich schon Sorgen“, sagt Uwe Marx vom Modehaus Marx. 1931 haben seine Großeltern das Geschäft an der Ecke Bahnhofstraße / Meißner Straße eröffnet. „Wir hoffen, dass die Radebeuler auch weiterhin an uns denken“, sagt er.