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Der Kalender mit den besonderen Geschichten

Marco Schröder hat wieder alte Aufnahmen zusammengetragen. Jetzt liegt es an den Einwohnern, wie viele Kalender noch folgen.

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© privat

Von Heike Sabel

Markersbach. Auf den September 2017 freut sich Marco Schröder besonders. Dann zeigt sein Kalender für Markersbach sein Lieblingsbild. „Nicht nur, weil es das Geburts- und Elternhaus meiner Ururgroßmutter Johanne Auguste Schröder geb. Kluge zeigt, sondern weil man hier noch ein altes Strohdach erkennen kann, wie es für die meisten Markersbacher Wohn- und Stallgebäude bis ins 19. Jahrhundert hinein üblich war und von denen es schon seit Jahrzehnten kein einziges mehr in Markersbach gibt“, sagt Marco Schröder.

Der junge gebürtige Markersbacher, den es nach Baden-Württemberg verschlagen hat, begann 2012 einen Kalender mit Fotos aus seinem Dorf zu machen. Der Anlass war damals 650 Jahre Markersbach 2013. Seither hat er auf seinen jährlichen Aufruf immer so viel Material erhalten, dass jedes Jahr wieder ein Kalender erschien. Nun also ist der für 2017 fertig und kann bestellt werden.

Das September-Bild ist voller Geschichte. Vor dem Bauernhaus ist der neue Besitzer Albin Riehle mit seiner Familie zu erkennen. 1907 erwarb er das Anwesen im Mitteldorf von der Stadt Bad Gottleuba, die es im Jahr zuvor der Familie Kluge, die es seit 1818 besaß, abgekauft hatte. Das Bauernhaus, ein typisches im Obergeschoss in Fachwerk ausgeführtes Wohn- und Stallgebäude, wurde am Hang errichtet, in den man einen Gewölbekeller zur Aufbewahrung von Lebensmitteln hineintrieb. Oberhalb des Bauernhauses begann einst eine Wasserleitung, die nicht nur zwei Gehöfte und zwei Häuslernahrungen, sondern auch das Erbgericht und die Brauerei mit Wasser versorgte.

Berührt hat Marco Schröder bei seinen Recherchen das Schicksal der Familie Riehle. Albin Riehle und seine Frau Gertrud hatten fünf Töchter und zwei Söhne. Der Erstgeborene starb als Säugling. Der zweite Sohn, der den Hof übernehmen sollte, fiel 1943 mit 32 Jahren an der Ostfront. Im Jahr zuvor war der Vater unter wohl nie ganz geklärten Umständen gestorben. Gegen die Widerstände des nationalsozialistischen Regimes gelang es den Frauen der Familie, den 15 Hektar umfassenden Hof weiterzuführen und ihn über das Kriegsende hinaus in Familienbesitz zu behalten. 1952 übernahm ihn der älteste Enkel von Albin Riehle, der zu Beginn der 1990er-Jahre kinderlos starb und den Marco Schröder noch kannte. „Seit 1998 steht der idyllisch gelegenen Hof leer“, sagt er.

Die ältesten Bilddokumente des 2017er-Kalenders sind im August vier Werbeanzeigen des alten Erbgerichts von 1868. Entdeckt hat er sie im Pirnaer Anzeiger, von dem er zahlreiche Ausgaben im Original besitzt. Das Interesse für die Geschichte entstand bei Marco Schröder schon in der Schule. Immer wieder staunt er, wie viel in so einem kleinen Ort steckt, und immer wieder entdeckt er neue Geschichten. Nicht zuletzt sind seine Kalender auch für die Markersbacher Anlass, miteinander zu reden.

Den 2016er-Kalender druckte Marco Schröder knapp 100-mal. „Mein Arbeitszimmer gleicht dann immer einem Postamt.“ Mal sehen, wie viele es diesmal werden. Inzwischen verschickt er die Kalender ins ganze Bundesgebiet, wo es Markersbacher ebenso hinverschlägt.

2018 wird es definitiv noch einen Markersbach-Kalender, den fünften, geben. Höchstwahrscheinlich auch 2019. „Sollte bis dahin kein weiteres Bildmaterial mehr auftauchen – das kann auch als Aufruf verstanden werden – endet das Kalenderprojekt im sechsten Jahr“, sagt Marco Schröder. Obwohl er kaum damit rechnet, könnte sich auch das schon für einen 350-Seelen-Ort sehen lassen.

Bestellungen bis 31. Oktober unter: [email protected]