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Der Kaiser knackt Nüsse mit Kuttel Daddeldu

Die Weihnachtsschau im Landschloss Zuschendorf lockt mit über 100 Schaukästen – und einem besoffenen Seemann.

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© Daniel Förster

Von Thomas Morgenroth

Pirna. Gott, oh Gott, gleich kippt er um! In beachtlicher Schräglage torkelt Kuttel Daddeldu durch den Schankraum der Kneipe „König von Schweden“ im Landschloss Pirna-Zuschendorf. In blau-weiß gestreiftem Zwirn feiert der berühmteste Zecher von Hamburg-Altona Weihnachten. Mit Genever, Gilka, Rum und Sekt. „Ein Mädchen nannte ihn Trunkenbold“, dichtete der aus Wurzen stammende Joachim Ringelnatz (1883-1934) über „Die Weihnachtsfeier des Seemanns Kuttel Daddeldu“, und kommt alsbald zum Höhepunkt: „Plötzlich brannte der Weihnachtsbaum, plötzlich brannte das Sofa und die Tapete.“

Aus der Sammlung von Matthias Riedel stammt der Nussknacker aus dem Jahre 1822 – eine Karikatur auf Napoleon.
Aus der Sammlung von Matthias Riedel stammt der Nussknacker aus dem Jahre 1822 – eine Karikatur auf Napoleon. © Daniel Förster

Die köstliche Ballade inspirierte den Dresdner Architekten Volker Berthold zu einer launigen Installation im geräumigen Treppenhaus des Schlosses, gleich gegenüber dem grünen Drachen, der, inhaltlich der aktuellen Schau angepasst, zwei Wochen lang den Weihnachtsmann durch die Lüfte trägt. Für den hat Kuttel Daddeldu freilich keinen Blick übrig, dafür ist er zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Er versucht die Balance zu halten, dabei steht er ja eigentlich gerade, allerdings ist der Untergrund abschüssig wie ein Schiffsboden bei starkem Seegang. Berthold hat die Planken angeschrägt, ein raffinierter Trick, um die Duseligkeit der Hauptperson zu illustrieren, die dazu führt, dass auch dem Betrachter leicht schwindlig wird.

Volker Berthold, in diesem Jahr achtzig geworden und einer der Väter der Rettung des Landschlosses, staffierte den im Zweiten Weltkrieg zerstörten „König von Schweden“ mit weitgehend historisch passenden Zutaten aus. Etwa mit einer Haut, die er höchstselbst in Bolivien einer überfahrenen Riesenschlange abgezogen hat, Schnapsflaschen aus jener Zeit, Schiffsmodellen und Bildern von König Gustav II. Adolf natürlich, der im Dreißigjährigen Krieg 1632 in Lützen fiel und auf den der Name der Schänke zurückgeht.

Napoleon in Messing

Einen anderen Herrscher rückt Berthold in einem der mehr als einhundert Schaukästen ins Licht: Napoleon, edel in Messing gegossen und in Prag vor dem Schrott bewahrt. Der Eroberer steht in Tharandt am Schlossteich und beobachtet sich selbst – als Räuchermann, als Leuchterfigur – eine äußert seltene Attraktion – und als Nussknacker. Kaum hatte der Franzosenkaiser 1813 die Völkerschlacht in Leipzig verloren, wurde er in der Presse schon durch den Kakao gezogen. Eine seiner Karikaturen diente 1822 einem Volkskünstler im thüringischen Catterfeld als Vorlage für seine Figur. Der Kopf ist aus Pappmaché, der Rest aus geschnitztem Holz. Und er funktioniert noch immer, allerdings kann Napoleon seinen Mund nur so weit aufreißen, dass Haselnüsse hineinpassen.

„Nussknacker konnte ich eigentlich überhaupt nicht leiden“, sagt Schlossherr Matthias Riedel, Leiter der Botanischen Sammlungen in Zuschendorf. Als er aber bei der Auflösung einer großen Sammlung dabei war, änderte er seine Meinung grundlegend. Die künstlerische Meisterschaft vor allem der alten Nussknacker hat es ihm seither angetan. Einige der ältesten Stücke gehören nun zu seiner eigenen Sammlung, wie der Napoleon, aber auch ein Räuber aus dem Jahre 1938, den die Firma Wendt & Kühn in größerer Stückzahl für die Wanderer-Werke fertigte. Als Weihnachtsgabe für die Belegschaft – mit einem Zehnmarkschein zwischen den Zähnen.

Größte Weihnachtsausstellung bisher

Die Männelparade im Luisen- und Herrenzimmer, darunter viele Leihgaben von Tom O. Letz und seinem Sohn Robert Letz aus Rosenthal-Bielatal, ist nur ein Teil der bislang größten weihnachtlichen Schau in Zuschendorf. Zu sehen sind auch ein funktionstüchtiger Weihnachtsberg oder ein Jahrmarkt mit einem Flugzeug-Karussell, das von einem Grammophonmotor angetrieben wird. Im Salon baut Georg Brückner aus Goes in diesen Tagen wieder eine fast einhundert Jahre alte Blecheisenbahn in Spurweite 1 auf. Vier Züge können gleichzeitig fahren. Brückner ergänzte zudem mit viel Fleiß seine pittoresken szenischen Schaukästen im Gang um eine Eisenwarenhandlung sowie um eine Bedürfnis- und Badeanstalt; für beide fand er Vorbilder in seiner Geburtsstadt Leipzig.

Der originale Handelskasten eines Hausierers erzählt im Festsaal die von Matthias Riedel recherchierte Geschichte des Lippersdorfers Max Helbig, der mit seinem tragbaren Kramladen durch die Dörfer zog. Und dort auch in eine Drechslerstube einkehrte. In den Schubladen des wie ein Rucksack zu tragenden Schränkchens finden sich Hosenträger und Kämme genauso wie Dachpappennägel. Aber keine hochprozentigen Getränke. Mit Kuttel Daddeldu könnte Max Helbig also vermutlich keine Geschäfte machen. Eher mit Napoleon, der brauchte praktische Dinge für seine Feldzüge. Knöpfe zum Beispiel, die gehen beim Hauen und Stechen gern verloren.

Vom 28. November bis 13. Dezember im Landschloss Pirna-Zuschendorf, täglich 10-17 Uhr; am 28. November, 13.30 Uhr, „Aschenbrödel“ und 15.15 Uhr, „Zauberflöte“, Puppenspiel mit dem Dresdner Salontheater.

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