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Der Kämmerer lässt das Tanzen nicht

Jörg Heinert trat früher in Berlin als Showtänzer im Palast der Republik auf. Heute ist er Leiter beim Dresdner Hoftanz e.V.

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© Klaus-Dieter Brühl

Von Kathrin Krüger-Mlaouhia

Großenhain. Die Eltern des gebürtigen Berliners und heutigen Großenhainer Kämmerers haben es schon gewusst: Das Kind sollte auf die Ballettschule. „Doch ich wollte damals nicht, ich mochte meinen Zwillingsbruder nicht verlassen“, erzählt der heute 53-jährige Jörg Heinert. Im Haus der jungen Talente und in der Musikschule Berlin-Mitte wurde trotzdem sein Weg ins Showballett geebnet. „Mit 23 Jahren hat mich meine Cousine Ines zu Tai Chi und Pantomime mitgeschleift“, so Heinert. Zur 750-Jahrfeier der Hauptstadt 1987 trat er – damals Außenhandelskaufmann für Schienenfahrzeuge – öffentlich auf und wurde im Buch „Berlin leben – Berlin erleben“, sogar abgebildet.

Jörg Heinert (re.) als Showtänzer in den 80ern.
Jörg Heinert (re.) als Showtänzer in den 80ern. © privat

Und dann war da das Sommertraining, als die Pantomimen mit dem Studioballett Berlin zusammenkamen. „Ich war damals gummiweich und schmiss mich in den Spagat“, erzählt der Großenhainer schmunzelnd. Da hatte Ingeborg Schiffner, eine Schülerin der bekannten Mary Wigman, ein Auge auf ihn und holte ihn in die Ballettgruppe. Zögerlich ließ sich Jörg Heinert darauf ein. Was folgte, waren vier intensive Jahre, die er nie vergessen wird.

Denn vor den Erfolg wurde bekanntlich der Schweiß gesetzt. „Es war ein sehr hartes Training: fünfmal die Woche und auch noch manches Wochenende“, blickt er zurück. Und das neben dem Beruf. Heinert musste die Grundlagen des klassischen Tanzens lernen, auch Körperspannung und Flexibilität, um für die Showtanztechniken vorbereitet zu sein. „Es gab auch Leute im Ballett, die das nicht durchgehalten haben.“ Heinert hielt durch und schaffte es bis zum Palastball im Palast der Republik.

Dort gab es eine große Revue mit den DDR-Stars Helga Hahnemann oder den Puhdys. „Ich war sehr aufgeregt, aber es hat auch Riesenspaß gemacht“, sagt Jörg Heinert. Er war außerdem in der Show „Rock time“ dabei, die wegen ihres wahnsinnigen Tempos physisch sehr anstrengend für ihn war. Oder in der Jugendrevue „Dirty Dancing“, die anlässlich der Filmpremiere im Friedrichstadtpalast stattfand. „Das war ein wilder, verrückter Tanz“, schwärmt Jörg Heinert. Außer den Gruppenauftritten mit dem Studioballett gab es auch Solostellen wie beim „Mackie Messer“ für ihn. Oder einen Showauftritt mit der Hahnemann im Tierpark Berlin.

„Klar war das alles anstrengend, aber ich war glücklich, denn ich kam den großen Profikünstlern ganz nahe“, schwärmt Jörg Heinert heute noch. Für ihn stellte sich das, was er erreichte, als „maximaler Erfolg“ dar. Was spielte es da eine Rolle, dass er als körperlich Kleiner oft hinten tanzen musste, und die Großen vorn? Jörg Heinert kam immerhin auch ins Fernsehen, zum Beispiel in „Meine Show“ mit Dagmar Frederick. Auch tanzte er mal einen Teufel in einer Faschingssendung. Zu sehen ist er außerdem im deutsch-japanischen Film „Die Tänzerin“.

Es endete allerdings 1992, als Jörg Heinert mit seinem damaligen Lebenspartner nach München zog. „Da musste ich abtrainieren.“ Heinert machte noch mal eine Ausbildung zum Steuerfachangestellten und kehrte 2003 zurück – nach Großenhain. Im Dresdner Studio Espiral begann er, wieder Ballettstunden zu nehmen. Mit seinem jetzigen Partner Jens Heinert kam er dann zum Dresdner Hoftanz, einem Verein zur Förderung historischer Tänze des Mittelalters, der Renaissance und des Barock. Mittlerweile ist Jörg Heinert dessen administrativer Vereinschef. „Hier profitiere ich von meiner früheren Erfahrung auf der Showbühne. Auch das damalige Training von Ausstrahlung und Präsentierwillen kommt mir zugute“, sagt der Großenhainer.

Gern erinnert sich Jörg Heinert an die Zeit als Pantomime, als er lernte, „den Körper von innen zu spüren für den Ausdruck ohne Sprache“. Disziplin und Korrektheit, wie er sie schon damals verinnerlichte, sind ihm auch im Beruf nützlich. Heute werden ihm auch die wöchentlichen Proben für den Hoftanz nicht langweilig. Denn die Verfeinerung von Schrittfolgen und Interpretation machen für ihn den Reiz des Tanzens aus. „Es ist nach wie vor ein schöner Ausgleich zur Arbeit“, sagt er. Der Verein bemüht sich außerdem darum, den Bühnentanz möglichst historisch aussehen zu lassen, ohne damit zu langweilen.

Wer die 25 Tänze, die die Musiker und 15 Tänzer des Hoftanz-Vereins drauf haben, live erleben will, kann das am 22. Oktober im Großenhainer Kulturschloss. Es ist einer von nur etwa vier Auftritten, die das Ensemble jährlich bestreitet.

22. Oktober, 17 Uhr, Kulturschloss, Musik und Tänze des Mittelalters, Karten im Vorverkauf: 15 Euro.