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Der Hype um die Matratze

Kein Probeliegen, keine Riesenauswahl und kostenlose Lieferung: Immer mehr Start-ups mischen den Markt mit Matratzen aus dem Internet auf. Wie groß ist die Konkurrenz für den Handel?

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© dpa

Michel Winde

Berlin. Für ein neues Leben braucht es nicht viel: eine Matratze, mehr nicht. So zumindest ist das Versprechen jener Start-ups, die seit einiger Zeit vornehmlich in Berlin gegründet werden. Sie heißen Bruno oder Emma, Muun oder Eve - und orientieren sich vielfach an einem amerikanischen Vorbild. Casper ging 2014 in den USA an den Start und hat seitdem eigenen Angaben zufolge 100 000 Matratzen verkauft. Allein im Sommer vergangenen Jahres sackte das Start-up 55 Millionen US-Dollar von Investoren ein.

Ein anderes Vorbild scheint Bett1.de zu sein. Das Unternehmen aus Hamburg vertreibt seine Universalmatratze Bodyguard nur online. 2015 bekam das Modell von der „Stiftung Warentest“ „die beste je von uns für eine Matratze vergebene Note: 1,8.“

„Du lebst, wie du schläfst“, schreibt Caspar. Bruno verspricht „einen unvergleichlichen Schlaf“. Emma appelliert: „Träume glücklicher.“ Und das Londoner Unternehmen Eve stellt fest: „Jeder großartige Tag beginnt in der Nacht zuvor.“ Das Versprechen: ein besseres Leben; die Voraussetzung: eine der neuen Einheitsmatratzen. „Das Marketing beherrschen alle Anbieter“, schreibt „Stiftung Warentest“.

Versucht man, sich einen Überblick über die neuen Matratzen-Macher zu verschaffen, verschwimmen die Anbieter schnell. Nicht nur ihre Homepages ähneln sich, auch die Angebote sind fast identisch: Meist gibt es ein „One fits all“-Modell mit nur einem Härtegrad, auf dem jeder bequem liegen können soll. Die Käufer kriegen ihre Matratze frei Haus geliefert, können bis zu 100 Tage probeschlafen und gegebenenfalls kostenlos zurücksenden.

Alle Anbieter geben an, ihr Produkt selbst entwickelt zu haben. Auf das „Made in Germany“ legen sie besonderen wert. Eve kommt aus London. In Großbritannien müssen Polstermöbel laut „Stiftung Warentest“ einen Entzündungstest bestehen. Folglich fanden die Tester Flammschutzmittel - das gilt allerdings als krebserregend. Mittlerweile hat das Unternehmen umgeschwenkt und gibt an, die Produkte seien schadstofffrei.

Die Preise für eine 2 mal 1,40 Meter große Matratze liegen in der Regel zwischen 550 und 600 Euro. Die „Bodyguard“ ist mit 329 Euro deutlich günstiger. Viele Anbieter haben mittlerweile auch Bettbezug, Kissen und Decken im Angebot. Einige auch Boxspringbetten. Unterschiede? Kaum bemerkbar.

Das Thema Schlaf passt hervorragend in eine Welt, in der auch Gesundheit eine immer größere Rolle spielt. „Schlafen ist das neue Joggen“, titelte das „Manger Magazin“ im April in Bezug auf die USA. „Ich glaube, dass die Wichtigkeit des Schlafs in steigendem Maße erkannt wird“, sagt Felix Baer (37), Mitgründer von Bruno Interior. Casper-Mitgründer Philip Krim sagte mal, sein Unternehmen wolle „einen Lifestyle aufbauen, der den Schlaf feiert“. Dazu inszenieren sich alle Online-Anbieter als Gegenpart ungemütlicher Matratzenläden. Kein Probeliegen, keine Riesenauswahl, kein Transport.

Für den Handelsexperten Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein ist es nicht verwunderlich, dass Matratzen vom Trend zur Online-Bestellung erfasst worden sind. „Generell lässt sich der Kunde vor allem größere und sperrige Produkte gerne liefern - wenn das mit wenig Versandkosten verbunden ist.“ Nachdem Casper in den USA so erfolgreich Investoren gefunden habe, sei es normal, dass es in Deutschland zeitversetzt relativ viele Nachahmer gebe.

Verlässliche Zahlen zum Matratzen-Handel gibt es Heinemann zufolge kaum. Er schätzt den Umsatz ohne Lattenroste in Deutschland auf 2 Milliarden Euro im vergangenen Jahr. „Der Online-Anteil dürfte mit dem bei Möbeln vergleichbar sein und rund 10 Prozent betragen“, sagt Heinemann. Er sieht einen wachsenden Markt.

Bruno hat im vergangenen Jahr drei Millionen Euro umgesetzt, wie Baer sagt. In diesem Jahr verspricht er sich mehr als doppelt so viel Umsatz. „2016 werden wir mehr als 10 000 Matratzen verkaufen.“

Claudia Wieland vom Fachverband Matratzen-Industrie sieht den Trend zur Online-Matratze kritisch. „Wir sehen schon ein Problem darin, eine Matratze nicht probeliegen zu können und vor allem nicht vergleichen zu können.“

Dennoch könne der stationäre Handel sich von den jungen Anbietern etwas abschauen. Bislang zählten Matratzen zu den sogenannten Low-Interest-Produkten - jenen Produkten also, die Kunden nicht besonders gerne kaufen. Die Start-ups hingegen machten sie zu einem coolen Lifestyle-Produkt. Die Neuen hätten Bewegung in den Markt gebracht. „Auch die alten Hasen der Branche werden umdenken müssen.“

Ein Test der „Stiftung Warentest“ in der Septemberausgabe war für die Online-Anbieter jedoch wenig schmeichelhaft. Der Großteil der getesteten Matratzen eigne „sich meist nur für kleine Leichte und für kleine Personen mit Schwerpunkt rund um das Becken“. (dpa)