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Der Hüter der Pflaumentoffel

Roland Hanusch ist Experte für die sächsische Spezialität. Kuriositäten rund um die Figur zeigt er nun auf Schloss Burgk.

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© Karl-Ludwig Oberthür

Von Dorit Oehme

Freital. Er war Mathelehrer. Doch bei der Anzahl seiner Pflaumentoffel muss Roland Hanusch passen. „Ich habe mich gar nicht bemüht, sie zu zählen“, sagt der Freitaler. Er besitze sogar einige sehr alte, manche seien aus Zinn, Keramik oder Klöppelspitze. „Doch an sich sind es nun mal Lebensmittel. Deshalb ist die Lagerung etwas schwierig.“ Schon als Kind bekam er die ersten Toffel zu Weihnachten geschenkt. „Meine Eltern lasen die Pflaumen beim Nachbarn auf und bauten die Männchen für meinen Bruder und mich“, erinnert sich Hanusch. Er ist Jahrgang 1940 und stammt aus dem heutigen Rabenauer Ortsteil Obernaundorf. Seine Eltern hatten eine Handweberei. Befreundete Künstler, Kultur- und Heimatfreunde waren oft zu Gast. Ein Figurentheater, das sein Vater geschnitzt hat, steht in Roland Hanuschs Wohnung. Darüber hängt ein Band mit Zirkusmotiven, das Hanusch nach einer Vorlage seines Vaters gewebt hat. „Er lieh mir sogar ab und zu seine Plattenkamera.“ Damit fotografierte Hanusch auch Freital-Niederhäslich, wo sein Großonkel, der Maler und Grafiker Karl Hanusch, wohnte.

Seit mehr als 30 Jahren pflegt Roland Hanusch die kreative Seite seiner Familie auf seine Weise: Von 1982 bis 1985 war er Leiter im Freitaler Haus der Heimat, aus dem die Städtischen Sammlungen auf Schloss Burgk hervorgegangen sind. Als in die Weihnachtsschau Pflaumentoffel einbezogen werden sollten, doch Material rar war, begann er, Informationen, kleine Geschichten und Exponate zu dieser Weihnachtsfigur zu sammeln. 1988 füllte Hanusch zwei Vitrinen. Inzwischen hat er sich viel mit dem sächsischen Pflaumentoffel beschäftigt. An fast 50 Ausstellungen nahm er dazu schon landesweit teil. Zwei Bücher wurden von ihm publiziert. Er hat auch 20 Hefte im Eigenverlag herausgegeben und viele Vorträge gehalten.

Hauptsache Trockenobst

Zur diesjährigen Weihnachtsschau der Städtischen Sammlungen Freital stellt Roland Hanusch erstmals wieder auf Schloss Burgk aus. Drei Tafeln hat er speziell mit Freitaler Bildern und Episoden rings um den Pflaumentoffel gefüllt. So erinnert er daran, dass die Konservenfabrik Werner aus Freital-Potschappel 1946 den Pflaumentoffelverkauf auf der Dresdner Weihnachtsmesse rettete: In ganz Sachsen ließen sich keine Backpflaumen auftreiben, doch der Freitaler Betrieb hatte reichlich getrocknete Apfelscheiben. Sie sollten über die Sowjet-Armee in Halle an der Saale gegen Backpflaumen einer dortigen Firma getauscht werden. Die Prozedur war nicht ganz einfach. Doch dem russischen Dolmetscher fiel ein: „Hauptsache, der Trockenobstbestand stimmt!“ Das überzeugte den Kommandanten.

„Die Geschichte habe ich 1988 von einem Dozenten der Dresdner Verkehrshochschule erfahren. Er war der leitende Materialbeschaffer“, verrät Hanusch. Peu à peu hat er Geschichten rund um die Toffel in Freital gesammelt. Auch über Theateraufführungen, wie Rudolf Körners Stück „Der Pflaumentoffel“ 1948 in den Ballsälen Coßmannsdorf. „Über 1 000 Besucher sahen zu. Doch wer genau hat mitgemacht? Gibt es noch Bilder? Das interessiert mich. Ich habe nur eine Zeitungsnotiz, obwohl ich viel geforscht habe“, sagt Hanusch. Im Klub der Edelstahlwerker in Deuben gab es sogar eine Mädchentanzgruppe, die fast 30 Jahre lang einen Pflaumentoffel-Tanz im Repertoire hatte – mit immer neuen Tänzerinnen. Der Freitaler Knete-Künstler Rolf Becker, der nahezu 5 000 Figuren aus Fimo-Knete geschaffen hat, gestaltete wiederum Pflaumentoffel-Kapellen. „Sie sind eine Freitaler Erfindung“, betont Hanusch. Hannelore Huth, die Mitarbeiterin im Haus der Heimat war, hat für Postmodern eine Briefmarke mit Pflaumentoffelmotiv entworfen. „Die Figuren gelten oft als Glückssymbol. Doch Glücksbringer sind sie für mich nicht. Ich sehe die Geschichte dahinter.“ Die Pflaumenmännchen erinnerten ursprünglich an die erst etwa siebenjährigen Jungen, die als Gehilfen der Kaminfeger noch im 19. Jahrhundert durch die damals engen Feueressen kriechen mussten. Kinder aus armen Familien verkauften die „Männel aus Backpflaumen“. Heute sind sie ein typisches Symbol des Dresdner Striezelmarktes.

Die Freitaler Jeanette und Heiko Meska – mittlerweile Bekannte von Hanusch – haben dort schon viele selbstgebaute Pflaumentoffel verkauft, aber auch auf dem Dresdner Augustusmarkt. Mittlerweile sind sie in Altkötzschenbroda anzutreffen. Diesmal ausnahmsweise nicht. „Nächstes Jahr sind wir wieder mit dabei, auch mit Bastelanleitungen“, kündigt Heiko Meska an. Hanusch pflegt weitere Kontakte, um die Spuren der Toffel zu verfolgen. Sie führen auch in Kitas, wo Männchen und Zeichnungen ganz spielerisch entstehen.

„Märchenhaftes auf Schloss Burgk“, 26. November bis 8. Januar; Di bis Fr 13–16, Sa/So 10–17 Uhr; 1. und 2. Adventswochenende 10-19 Uhr; 24.12. 10-13 Uhr; 26.12. 10-17 Uhr; 1.1. 13-17 Uhr; 25. und 31.12. geschlossen.