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Der Holzschnitzer aus dem Wald

Der Weixdorfer Rolf Steinbach erzählt mit seinen Männeln ganze Geschichten. Wichtig sind ihm historische Details.

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© Sven Ellger

Von Gabriel Jira

Der Geruch von feuchtem Waldboden liegt in der Luft. Rolf Steinbach wohnt in einem abgelegenen Wald beim Weixdorfer Autobahndreieck. Im Garten des 72-Jährigen steht eine Krippe aus gut dreißig halbmeterhohen Holzfiguren unter Bäumen. Er sitzt vor dem Stall mit Maria, Josef und dem Christuskind. „Das ist mein neuestes Werk“, sagt er. Mit dem Schnitzmesser schneidet der Handwerker seit 30 Jahren seine Männeln aus Holz. Allerdings hat er sich mit der Krippe zum ersten Mal an größere Formate herangetraut. „Meine Figuren waren sonst immer um die 14 Zentimeter groß, aber ich wollte gerne mal eine große Krippe für draußen schnitzen.“

Zum ersten Mal fertigte der Schnitzer solch große Figuren. Maria und Josef sind bis zu einem halben Meter hoch. Ihnen gab er ein freundlich lächelndes Gesicht.
Zum ersten Mal fertigte der Schnitzer solch große Figuren. Maria und Josef sind bis zu einem halben Meter hoch. Ihnen gab er ein freundlich lächelndes Gesicht. © Sven Ellger
30 Figuren gehören zu der Krippe im XXL-Format, so auch dieser Bläser. Das Ensemble steht im Garten von Rolf Steinbach in Weixdorf.
30 Figuren gehören zu der Krippe im XXL-Format, so auch dieser Bläser. Das Ensemble steht im Garten von Rolf Steinbach in Weixdorf. © Sven Ellger
Eine ganze Kirche samt Empore füllt der Handwerker mit seinen Figuren. Hier krabbeln auch die Kleinkinder auf dem Boden, während der Chor singt.
Eine ganze Kirche samt Empore füllt der Handwerker mit seinen Figuren. Hier krabbeln auch die Kleinkinder auf dem Boden, während der Chor singt. © Sven Ellger

Was Wind, Regen und Schnee mit den Figuren machen, interessiert ihn dabei am meisten. Rolf Steinbach sei schon gespannt, welche Tiere und Pflanzen sich über den Winter und im Frühjahr in seinen Figuren einnisten werden, sagt er. Dabei hatte der Dresdner schon Erfahrung mit großen Arbeiten. Zu DDR-Zeiten machte er ein Panorama von der Dresdener Altstadt. „Dafür habe ich eine extralange Laubsäge gebraucht. So etwas gab es nicht zu kaufen. Deshalb musste ich sie mir schweißen lassen“, sagt Steinbach. Die Säge benutzt er heute noch. Mit seinen Männeln hat er es zu einer kleinen Berühmtheit gebracht.

Von der Kreuzkirche bis ins Münsterland

Sein Siegeszug begann zu Weihnachten 1989. Da wurde eine seiner Krippen in der Kreuzkirche ausgestellt. „Damals gab es dort den sogenannten Kunstdienst. Ich habe einfach eine Krippe gebaut und mich damit beworben“, sagt er. Aber nicht nur die Experten von der Kreuzkirche waren begeistert. Das Machwerk wanderte im Anschluss bis nach Berchtesgaden und ins Münsterland. Dort gewann die Krippe sogar einen Preis. Jetzt steht das gute Stück in der ständigen Ausstellung im Museum für sächsische Volkskunst.

Rolf Steinbach ist zwar ein Meister seines Faches. Dennoch ist es alles andere als selbstverständlich, dass er dem Holz mit dem feinen Schnitzmesser und der Laubsäge zu Leibe rückt. Denn als gelernter Landschaftsgärtner bearbeitete er im Beruf das Holz stets mit der groben Baumsäge. Sein Beruf nützte trotzdem viel für seine Schnitzereien. Bei der Ausbildung lernte er seine spätere Frau kennen. Sie begann wie er im Jahr 1962 mit der Lehre zur Landschaftsgärtnerin. Es war Liebe auf den ersten Blick. Nur drei Jahre später heirateten die beiden. Und ohne sie gäbe es auch keine Männel aus Steinbachs Werkstatt. „Meine Frau ist mein Rückgrat. Wenn sie nicht wäre, wäre ich mit meiner Schnitzerei neben dem Beruf nie so weit gekommen“, sagt er.

Hölzer kommen aus der Region

Und durch den Beruf war immer genügend Holz zum Schnitzen da. „Wenn bei einem Sturm ein paar Äste herunterfallen, ist immer mindestens ein schönes Stückchen Linde dabei“, sagt Steinbach schmunzelnd. Allerdings arbeitet er auch mit anderen Hölzern. Hauptsache, sie kommen aus der Region. Denn die Wurzeln sind dem Landschaftsgärtner sehr wichtig. Er versteckt nämlich hinter der Krippe immer eine Menge kleiner Geschichten. Die Ideen dafür nimmt er direkt aus der sächsischen Umgebung. „Alle meine Werke haben immer mit der Bergwelt und den Bergmännern aus dem Erzgebirge, der Volkskunst und auch mit dem Glauben zu tun. Ich will wissen, wo die Erfahrungen der Alten liegen“, sagt er.

Genauso ist es auch bei der großen Krippe im Garten. „Das Ganze ist ein Krippenspiel. Pastor Roller, eine historische Figur aus Lausa, organisiert es. Und der Betrachter sieht hier die Proben“, sagt Steinbach. „Wer meine Werke genauer betrachtet, kann ganz viele kleine Geschichten in der Geschichte entdecken“, erklärt er. „Zum Beispiel die Musikanten. Sie blasen so falsch, dass der Hund im Vordergrund jault“, sagt der Schnitzer. Andere seiner Geschichten in der Geschichte sind ernster. „Pastor Rollers Krippenspiel findet in einer Kirchenburg statt. Warum baut eine Kirche, die den Frieden predigt, eine Kirchenburg? Da steckt ganz viel dahinter. Und das will ich erzählen“, so Steinbach.

Das alles mache der Schnitzer, ohne an Geld zu denken. Dass Leute das uralte Wissen aus Bibel, Volksliedern, Märchen und Sagen erfahren, sei Ansporn genug. So wolle er den Menschen Hoffnung geben. Denn ohne die seien sie verloren. Außerdem sterbe jeder einmal. „Und das ist die Reise, für die man kein Gepäck packen kann“, sagt der 72-Jährige. Bis dahin brauche er vier Dinge. Ohne die könne ein guter Schnitzer nicht arbeiten. Mut, immer Neues auszuprobieren, eine verständnisvolle Frau und vor allem Tabak und viele Pflaster.