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Der große Knall auf der Messe

Eigentlich sollten 970 Gläubiger von Fubus-Anleihen gestern einen gemeinsamen Vertreter wählen. Doch Anleger-Anwälte ließen die Wahl platzen.

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© Bonss

Von Lars Radau

Dresden. Es war eine Bauchlandung mit Ankündigung: Um 17.35 Uhr verkündete Erwin Gerster, dass das Gericht sich nicht in der Lage sehe, die Befangenheitsanträge gegen eine Rechtspflegerin noch in angemessener Zeit zu prüfen. Deshalb, so der Insolvenz-Richter am Amtsgericht Dresden, sei die Versammlung mit sofortiger Wirkung beendet.

Damit ist der Finanzskandal um die Dresdner Infinus-Gruppe um eine weitere skurrile Facette reicher. Ursprünglich hatte Insolvenzverwalter Bruno M. Kübler Tausende Gläubiger, die bei der Infinus-Konzernmutter Future Business KGaA (Fubus) Orderschuldverschreibungen gezeichnet hatten, zur Wahl eines gemeinsamen Vertreters in die Dresdner Messehalle 1 eingeladen. Dieser Einladung folgten gestern fast 1.300 Personen. Rund 970 davon waren laut Kübler stimmberechtigt – sie repräsentieren fast 36 500 Gläubiger mit einem Gesamtstimmrecht von rund 510 Millionen Euro. Doch schon zuvor hatten einige Anleger-Anwälte angekündigt, die Wahl scheitern zu lassen.

Dabei ist der gemeinsame Gläubiger-Vertreter bei Verfahren von der Dimension der Infinus sehr hilfreich: Er meldet die Forderungen der Anleger beim Insolvenzverwalter an, vertritt ihre Interessen während des Verfahrens und nimmt die Zahlung der Quote vor – also des Anteils, der für jeden am Ende des Verfahrens übrig bleibt. „Ein ganz wesentlicher Vorteil des gemeinsamen Vertreters ist es, dass er Druck auf den Insolvenzverwalter ausüben kann, schnell eine Abschlagszahlung auf die zu erwartende Quote zu leisten“, sagt Christian Gloeckner, Geschäftsführer der Nürnberger G&P Rechtsanwaltsgesellschaft – und einer der Kandidaten für das Amt des gemeinsamen Vertreters. Denn nur wer 20 Prozent der Forderungen hinter sich vereint, darf eine Gläubigerversammlung einberufen – spätestens dann wird es für den Insolvenzverwalter unangenehm.

Der Knackpunkt: Der gemeinsame Vertreter kann, muss aber nicht gewählt werden. Auch das Amtsgericht Dresden hat in einem „gerichtlichen Hinweis“ in „Hinblick auf die Vielzahl der Orderschuldverschreibungsgläubiger und der einzelnen Anleiheserien“ angeraten, dass die Möglichkeit zur Wahl „unbedingt wahrgenommen werden“ sollte.

4 852 parallele Versammlungen

Denn streng genommen sollte gestern nicht nur eine Versammlung stattfinden, sondern 4 852 Versammlungen parallel – eine für jede Orderschuldverschreibungs-Tranche, die die Fubus einst emittiert hat. Theoretisch hätten damit auch 4 852 Gläubigervertreter gewählt werden können. Doch das hätte den erhofften Effizienzgewinn, den das Verfahren bringen soll, komplett zunichte gemacht.

Schon im Vorfeld hatten etliche Anleger-Anwälte Küblers Einladung zur Wahl-Versammlung moniert: Sie suggeriere, die Berufung des gemeinsamen Vertreters sei eine Pflicht, was aber nicht stimme. Zudem stören sich die Anwälte an den angeblich hohen Kosten, die mit diesem – ihrer Meinung nach unnötigen – Posten verbunden sind. Für den einzelnen Anleger fallen durch den gemeinsamen Vertreter zwar direkt keine Kosten an. Allerdings wird er aus der Insolvenzmasse bezahlt, also zulasten aller Gläubiger. „Die Wahl eines gemeinsamen Vertreters ist eine Kann-Bestimmung und kann für Gläubiger Nachteile, auch in finanzieller Hinsicht, mit sich bringen“, sagt Erich Jeske, der für die Kanzlei PWB Rechtsanwälte in Jena arbeitet.

Anwälte bangen um ihren Job

Was die Anleger-Anwälte indes nicht so direkt sagen: Es geht ihnen dabei mutmaßlich auch um ihr eigenes Geld. Ist der gemeinsame Vertreter erst einmal bestellt, dürfen einzelne Gläubiger oder deren Anwälte ihre Rechte im Insolvenzverfahren nicht mehr selbst verfolgen. Auch mögliche Gebühren für die Anmeldung der Forderungen an die Insolvenztabelle gehen den Juristen verloren. Deshalb argumentieren Jeske und Kollegen, dass selbst bei der von Bruno Kübler prognostizierten‹ Quote von 20 Prozent ein Verlust von 80 Prozent bleibe, den man eintreiben könne.

Doch darauf sind etliche Gläubiger gar nicht mehr aus. „Ich werde jetzt schlechtem Geld nicht noch weiteres gutes hinterherwerfen“, sagte ein Fubus-Anleger. Er hoffe jetzt auf ein „geordnetes Verfahren“. Doch dieses geordnete Verfahren haben die Anleger-Anwälte mit ihren Befangenheits-Anträgen zunächst einmal gestoppt. Richter Erwin Gerster wird eine neue Wahl-Versammlung einberufen müssen – Ausgang offen.