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Der große Frust

Die Bautzener CDU will mit den Bürgern über die Asylpolitik diskutieren. Das geht schief.

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© Uwe Soeder

Von Jana Ulbrich

Am Ende ist Tumult. Die Männer und Frauen im Saal schreien sich an, beschimpfen sich und brüllen durcheinander. Als eine junge Schwarzhaarige alle übertönt und quer durch den Saal schreit: „Ihr habt doch nicht alle Latten am Zaun!“, ist das für Moderator Tobias Schilling endlich das Zeichen, den Diskussionsabend zu beenden. Der Versuch der Bautzener CDU-Mitglieder, mit den Bürgern der Stadt und der Region ins Gespräch zu kommen, ist gründlich schiefgegangen.

Dabei ist er doch so gut gemeint: Zu einem offenen Gesprächsforum über die aktuelle Asylpolitik hat die CDU am Mittwochabend Menschen ins Bautzener Brauhaus eingeladen, die regelmäßig auf die Straße gehen. Was treibt sie dazu, bei Wind und Wetter zu demonstrieren? Was eint sie? Wo unterscheiden sich Ihre Meinungen? Jens Mirschinka ist eingeladen, ein Bautzener, der regelmäßig zu den Pegida-Demonstrationen nach Dresden fährt. Der Spielzeughändler Veit Gähler ist da, der zum Demonstrieren lieber in Bautzen bleibt, weil er eben nicht in die Pegida-Schublade gesteckt werden will. Johannes Wenzel aus Bautzen ist gekommen, der regelmäßig „Friedensmahnwachen“ hält, dessen Gruppe auf ihrer Internetseite aber auch zu den rechten Demonstrationen der „Widerstands“-Bewegung an diesem Wochenende aufruft.

Christian Haase sitzt im Podium. Er ist Anwohner des Asylbewerberheims Greenpark und Gründer einer Bürgerinitiative, die das Heim in der jetzigen Größe ablehnt. Auch der Wachauer CDU-Politiker Matthias Grahl ist da, der aus seiner Kritik an der Linie der eigenen Partei keinen Hehl macht. Und im Podium sitzt Manja Richter, Mitbegründerin der Initiative „Bautzen ist bunt“, die gegen rechtes Gedankengut und für eine Willkommenskultur einsteht.

Es hätte eine spannende Diskussion werden können. Aber Frust, Enttäuschung und Unzufriedenheit der meisten unter den mehr als 100 Gästen im Saal sitzen tief. Viel zu tief. So tief, dass eine sachliche Debatte nicht möglich scheint.

Dabei sind sich viele im Saal in einer zentralen Frage einig: Jörg Drews, Chef der Firma Hentschke Bau, einem der größten Unternehmen der Region, spricht sie aus: „Wie wollen wir denn mit dieser schieren Menge an zu Integrierenden klarkommen? Das ist nicht leistbar.“ Viele Besucher an diesem Abend sehen das ebenso. Sie sind zornig, haben das Gefühl, mit ihren Sorgen und Ängsten nicht ernst genommen zu werden. „Von den Politikern und der Lügenpresse verarscht“, ruft es aus dem Brauhaus-Saal. „Die wahren Probleme werden doch bewusst verschwiegen und unter den Tisch gekehrt“, sagt ein älterer Herr. Deswegen, sagt Jens Mirschinka, fährt er jeden Montag nach Dresden. Und deswegen will er beim nächsten Mal nicht mehr CDU, sondern AfD wählen.

Veit Gähler sagt, er habe das Gefühl, er dürfe seine ehrliche Meinung nicht mehr offen sagen. „Es ist das gleiche Gefühl wie damals im Herbst 1989“. Dass es ihn jetzt wieder auf die Straße treibt, hätte er sich nicht träumen lassen. „Es ist eigentlich ziemlich schlimm, dass viele keine andere Möglichkeit mehr sehen, als öffentlich zu demonstrieren“, sagt der Mann, der sich ganz klar von rechten Positionen distanziert. Das tut auch Jens Mirschinka. „Aber als Pegida-Demonstrant ist man abgestempelt“, sagt er. – Was auch daran liegt, dass manches an diesem Abend kaum oder gar nicht zur Sprache kommt: Zum Beispiel in welchem Ton auch in Bautzen Menschen, die sich für Flüchtlinge einsetzen, in den sozialen Netzwerken beschimpft werden. Zum Beispiel die Drohbriefe, die der Landrat und andere Kommunalpolitiker regelmäßig erhalten. Oder, dass Pegida-Rednerin Tatjana Festerling erst vor wenigen Tagen offen zur Gewalt gegen Politiker, Richter und Kirchenleute aufgerufen hat.

Auch Manja Richter, die sich in Bautzen für die Integration der Asylbewerber engagiert, kommt an diesem Abend nicht zum Ausreden. Was sie sagt, wollen die meisten nicht hören. Die Debatte endet im Tumult.