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Der Greif kommt zurück

Die Demontage des Fabelwesens am Zittauer „Schwaben“ ist kein Abgesang für Haus und Gaststätte – sondern ein Neuanfang.

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© privat

Von Mario Heinke

Ein Paar öffnet die Tür der „Alten Böhmischen Stube“ in der Inneren Weberstraße 11, schaut ins Lokal und fragt, ob es hier noch was zu essen gebe. „Ja, natürlich“, erwidert der Kellner mit einladender Geste. Hausbesitzer Dieter Zarth sitzt am Tisch neben der Tür und wird Zeuge der Szene. „Das passiert nicht zum ersten Mal“, sagt er.

Seit im September der große Greif von der Fassade seines Hauses abmontiert wurde, schwirren die wildesten Gerüchte durch die Stadt und die sozialen Medien. Das Lokal schließe bald, der Greif werde verscherbelt, zu Geld gemacht und das Haus verkauft – sagen die Gerüchte. „Alles Unsinn, nichts davon stimmt“, erklärt Zarth und wundert sich darüber, wie die Zittauer auf solche Gedanken kommen und immer zuerst vom Negativsten ausgehen. Dabei habe er in diesem Jahr das Dach erneuert, die Fassade streichen und einige Fenster des Lokal auswechseln lassen. Die „Alte böhmische Stube“, die von Otto Javurek aus Liberec betrieben wird, laufe gut und es gibt keinerlei Probleme. Original böhmische Küche, Wildspezialitäten, Pilsner Urquell, Svijany und Mährischer Wein überzeugen die Zittauer. Der Greif und ein wertvolles Zunftzeichen werden derzeit in Wilsdruff aufwendig restauriert.

Bei Facebook debattierten die Zittauer tagelang über den bevorstehenden Verkauf des Hauses. Sie bezogen sich dabei auf einen Eintrag in einem Immobilienportal. Die Eintragung stammte allerdings aus dem Jahre 2006! Nach der Schließung des „Alten Schwaben“ stand das Erdgeschoss leer und Zarth wollte damals wissen, was er für das Haus bekommen würde. Zu keiner Zeit habe er aber beabsichtigt, zu verkaufen, erzählt der 61-Jährige. Den Eintrag im Internet habe er inzwischen löschen lassen. Von all dem Gerede bleibt nichts übrig, im Gegenteil, es gibt gute Nachrichten. Ende Januar, spätestens Anfang Februar wird der Greif, restauriert und vom Rost befreit in altem Glanz die Fassade zieren, verrät der ehemalige Zittauer, der inzwischen in Doberschau lebt, aber mit seiner Heimatstadt Zittau eng verbunden ist. Über 11 000 Euro kostet die Restaurierung des mythologischen Mischwesens, das im Jahre 1903 von der Zittauer Brauerei Robert Jentsch in Auftrag gegeben worden ist. Gebraut wurde in dem Haus in der Inneren Weberstraße schon seit dem 13 Jahrhundert.

Friedrich Schlick, der Großvater des heutigen Inhabers des Metallbaubetriebes Tristan Schlick im Schmeidelgässchen, schuf das mythologische Wesen mit den ausladenden Flügeln. Bevor der Greif an die Fassade der damaligen Bierstube „Forsthaus sieben“ montiert worden ist, soll er sogar bei einer Handwerkerausstellung in Paris gezeigt worden sein. Ob die Geschichte stimmt oder wie der Greif ins Reich der Mythologie gehört, weiß Dieter Zarth nicht. Ungeklärt bleibt auch die Frage, warum der Auftraggeber ausgerechnet dieses Fabeltier hat bauen lassen.

Klar ist hingegen, es ist etwas ganz Besonderes. Das hat Dieter Zarth sogar schriftlich, denn die Untere Denkmalschutzbehörde fördert die Restaurierung mit Landesmitteln und übernimmt 60 Prozent der Kosten. Die Förderung habe ihm die Entscheidung erleichtert, sagt er. Die Restaurierung war notwendig, denn ein Lkw hat beim Befahren der Inneren Weberstraße das große Werbeschild, das von den Klauen des Fabelwesens gehalten wird, völlig verbogen. Auch der Rost setzte dem stählernen Ungeheuer zu. Mit roher Gewalt rissen zwei Zittauer Jugendliche vor zwei Jahren noch das kleinere Zunftzeichen aus Kupfer aus der Wand, das über dem Hauseingang hing. Die Polizei konnte die Täter ermitteln, aber das alte Zunftzeichen war zur Hälfte zerstört. Auch diese Reliquie wird restauriert und an ihren alten Platz zurückkehren.

An Fabelwesen glaubt wohl keiner mehr. Mythen, Märchen und Legenden sind aber auch heutzutage in aller Munde und schwirren hysterisch durch die Weiten des Internets. Das konnte Hauseigentümer Zarth jetzt lernen.