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Der Graffiti-Frust wächst

Wilde Sprüher kennen kein Pardon. Die Polizei zählt fast 1 500 Straftaten in Dresden. Doch es gibt auch Ideen, wie es besser geht.

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© Sven Ellger

Von Peter Hilbert

Dresden hat einen Ruf als Kulturstadt, geprägt von Barockbauten. Doch immer mehr wird sie auch bekannt dafür, dass wertvolle Bauten mit Graffiti beschmiert werden, die keinesfalls einen künstlerischen Anspruch erheben können. Dies sticht Touristen, aber auch vielen Dresdnern ins Auge.

Wilde Schmierereien gibt es aber auch an den anderen Dresdner Elbebrücken (wie hier am Blauen Wunder) und Gebäuden.
Wilde Schmierereien gibt es aber auch an den anderen Dresdner Elbebrücken (wie hier am Blauen Wunder) und Gebäuden. © Sven Ellger
Oder auch an der Waldschlösschenbrücke.
Oder auch an der Waldschlösschenbrücke. © Sven Ellger
Dass es auch Graffiti-Kunst gibt, ist am Haltepunkt Bischofsplatz zu sehen .
Dass es auch Graffiti-Kunst gibt, ist am Haltepunkt Bischofsplatz zu sehen . © Sven Ellger

Der Brücken-Frust: Wertvolle neue Sandsteine werden sofort besprüht

Gerald Henzel liebt seine Heimatstadt. Der 69-Jährige ist Läufer und Vorsitzender des Dresdner Marathon-Vereins. Jeden Sonntag überquert er mit seiner Laufgruppe die Albertbrücke. Er freut sich über die schönen Sandsteinbrüstungen, die von Handwerkskunst und der langen Tradition der sächsischen Sandstein-Verarbeitung zeugen. „Das vermittelt ein großartiges Bild von Dresden“, sagt Henzel. Umso frustrierter ist er, dass die Brücke an allen Ecken und Enden schon wieder mit wilden Graffiti besprüht ist. „Selbst der erneuerte Durchgang an der Wigardstraße neben der Albertbrücke ist vollgeschmiert.“ Auch andere Elbebrücken bieten dieses Bild.

„Das stört in der Verwaltung offenbar keinen. Wenn wir nicht aufpassen, sieht es bei uns bald wie in Berlin oder Hamburg aus“, befürchtet er. Ihm fehlt der „gesellschaftliche Aufschrei“. Doch Henzel kritisiert nicht nur. Als es ihm zu viel wurde, hat sich der engagierte Mann selbst darum gekümmert, dass die beschmierte Wand am berühmten Bogenschützen am Königsufer von Graffiti befreit wird.

Die Stadt-Reaktion: Mit sanften Strahlen Farbe „weggeschossen“

Untätigkeit lässt sich Straßenbauamtschef Reinhard Koettnitz nicht vorwerfen. Er versichert, dass die Stadt das unternimmt, was möglich ist. „Wenn wir Graffiti an unseren Anlagen sehen, erstatten wir bei der Polizei eine Anzeige“, nennt er den ersten Schritt. Die Zahl der als Straftaten eingestuften Graffiti-Schmiereien an Brücken, Stütz- oder Lärmschutzwänden ist gestiegen. Waren es 2014 noch 87, so wurden 2016 schon 118 gezählt. Dadurch entstehen jährlich Schäden von 50 000 bis 60 000 Euro.

Nur wenn die wilden Graffiti-Sprüher gefasst werden, zahlen sie für den Schaden. Beim Großteil ist das aber nicht der Fall. So bleibt die Stadt auf den Kosten sitzen. „Wir beseitigen sie immer, aber nicht sofort“, sagt Koettnitz. Nur bei Graffiti mit verfassungsfeindlichem Hintergrund würde gleich gehandelt. Gute Erfahrungen habe die Stadt mit einem Verfahren gemacht, bei dem mit einem speziellen Granulat auf großen Sandstein-Oberflächen die Farbpartikel „weggeschossen“ wurden. Das sei bei der Treppensanierung am Neustädter Ende der Albertbrücke praktiziert worden. Das lohne sich aber nur bei großen Flächen.

Die Schüler-Idee: Projekte zur Graffiti-Entfernung starten

Auch die Striesenerin Ingrid Preuße ärgert sich über die Schmierereien in der Barockstadt. „Im Geschichtsunterricht müsste unseren Kindern und Jugendlichen noch mehr der Stolz vermittelt werden, was unsere Vorfahren geschaffen haben“, regt die 67-Jährige an. Sie schlägt Projekte vor, bei denen Klassen die Patenschaft über bestimmte Bauwerke übernehmen und dort Graffiti entfernen. „Da könnten die Stadt oder die Bahn doch Preise ausloben.“

Der Bahn-Ärger: Eine Viertelmillion Schaden jährlich durch Schmierereien

Bis zu 250 000 Euro muss die Deutsche Bahn ausgeben, um Graffiti an den Stationen des Bahnhofsmanagements Dresden zu beseitigen. Das Problem ist so groß, dass gemeinsam mit dem Verkehrsverbund Oberelbe (VVO) ein Graffiti-Team gebildet wurde, teilt ein Sprecher mit. Das beseitigt wöchentlich Schmierereien an 50 Stationen im Großraum Dresden.

Das Muster-Beispiel: Graffiti-Künstler zeigen, wie es besser geht

Graffiti-Ärger gibt es auch am neuen S-Bahn-Haltepunkt Bischofsweg. Fast wöchentlich müssen dort Schmierereien entfernt werden. Allerdings gibt es eine Ausnahme. Im gesamten Zugang gab es nur einen Fall, berichtet VVO-Sprecher Christian Schlemper. Denn den hatten VVO und Bahn von 33 Sprühern ganz legal hübsch besprühen lassen. „Das kam richtig gut an. Deshalb haben wir auch die Bahntunnel in Meißen, Bad Schandau und Coswig gestalten lassen“, sagt er.

Die Strafverfolgung: Nur zehn Prozent der Fälle werden aufgeklärt

Die Bemühungen scheinen sich zumindest etwas auszuzahlen. Die Zahl der illegalen Sprühereien sinkt leicht. 2016 wurden 1 450 Graffiti-Straftaten in Dresden registriert, teilt Polizeisprecherin Jana Ulbricht mit. „Das sind 177 erfasste Fälle weniger als im Vorjahr und entspricht einer Verringerung um 10,9 Prozent.“ Damit setze sich der Rückgang seit 2014 fort (1 670 Fälle).

Nur ein Zehntel davon kann aufgeklärt werden. Allerdings ist die Quote leicht gestiegen – von 9,6 Prozent 2015 auf 10,6 Prozent 2016, als 153 Graffiti-Täter gestellt werden konnten.

Die Extrem-Strafe: Stockschläge für sächsische Sprüher in Singapur

„Das ist schrecklich“, sagt Anwohner Dennis Schubert zu den wilden Graffiti am Bischofsplatz. Den 36-jährigen Arzt hätten sogar schon kanadische Touristen angesprochen. „Sie hatten sich gewundert, dass fast jede Wand in der Altstadt besprüht ist“, sagt er. „Das wilde Besprühen sollte härter bestraft werden.“

Meistens kommen Graffiti-Schmierer mit Geldstrafen davon. So war ein mit dem Schriftzug „Lauchs“ bekannt gewordene Sprüher in Dresden und weiteren Städten aktiv und hatte einen Schaden von Zehntausenden Euro angerichtet. Letztlich wurde er vom Amtsgericht Bamberg zu einer Geldstrafe von 2 100 Euro verurteilt.

In anderen Ländern gibt es härtere Strafen. Schubert erinnert an einen Fall vom November 2014 in Singapur. Dort hatten zwei junge Leipziger eine U-Bahn mit Graffiti besprüht. Daraufhin hatte sie ein Gericht zu je drei Stockschlägen auf den nackten Hintern und neun Monaten Haft verurteilt. Ihr Glück: Sie wurden vorzeitig entlassen. „So sollte es bei uns zwar nicht sein“, sagt der Arzt. Härtere Konsequenzen hält er dennoch für nötig.