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Der Glasfaser-Visionär

Stefan Reichel will Strießen per Glasfaserkabel mit Internet versorgen. Er traut sich, was große Unternehmen scheuen.

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© Klaus-Dieter Brühl

Von Jörg Richter

Priestewitz / Strießen. Bis vor einem Jahr lebte Stefan Reichel mit seiner Familie noch in Neuseeland. Seine beiden Kinder sind dort geboren. „Aber mit Oma und Opa immer nur zu skypen und sie nur aller zwei Jahre in Deutschland zu besuchen, ist nicht schön für Kinder“, sagt er. Deshalb entschlossen sich der IT-Ingenieur und seine Frau, Neuseeland nach knapp zehn Jahren „Bye bye“ zu sagen und nach Sachsen zurückzukehren.

Der gebürtige Karl-Marx-Städter, der in Dippoldiswalde aufwuchs, wohnt jetzt mit seiner Familie in Moritzburg. Mit seinen beruflichen Erfahrungen aus Übersee will Reichel von hieraus das sächsische Internet-Kabelnetz revolutionieren. Denn das ist seiner Ansicht nach ziemlich veraltet. „Wir haben in Neuseeland fast ausschließlich Glasfaserkabel verlegt“, erzählt er. Mit Kupferkabel, wie sie vielerorts noch in deutschen Böden liegen, fängt dort keiner mehr an. Dementsprechend schneller sei das neuseeländische Internet als das hiesige.

Per Glasfaserkabel werden Informationen in Lichtgeschwindigkeit übertragen. Die beträgt laut Albert Einsteins Relativitätstheorie rund 300 000 Kilometer pro Sekunde. „So lange Einstein nicht widerlegt ist, gibt es nichts schnelleres“, sagt Reichel lächelnd. Kupferkabel erzeugen dagegen naturgemäß einen Übertragungswiderstand, wodurch Internet langsamer wird, je länger die Übertragungsstrecken sind.

Der Moritzburger stellte vor Kurzem sein Glasfaser-Konzept im Priestewitzer Gemeinderat vor. Reichel hatte von der neuen Eigenheimsiedlung in Strießen-Süd gehört. „Gerade für junge Familien ist schnelles Internet ein wichtiges Entscheidungskriterium, ob sie aufs Land ziehen oder nicht“, sagt der zweifache Vater. „Wenn ich mir anschaue, was Schulen bei Hausaufgaben an Internet veraussetzen, ist das ohne eine hohe Übertragungsrate kaum noch machbar.“

Strießen-Süd soll deshalb ein Pilotprojekt für eine Überland-Glasfaser-Leitung werden, die bis zum Hausanschluss reicht. Von denen gebe es hierzulande keine, so Reichel. „Die großen Kabelunternehmen scheuen diesen Aufwand“, sagt er.

Das bestätigt auch Claudia Kuba, die Pressesprecherin des ostsächsischen Energieversorgers Enso. „Wir können keine flächige Versorgung mit schnellem Internet anstreben“, sagt sie, „denn auf den Dörfern rechnet sich das nicht.“

Die Enso hatte in diesem Jahr in Großenhain, Radeburg und Kesselsdorf Glasfaserkabel für schnelles Internet verlegt. Der Stromversorger benutzt dafür die so genannte Vectoring-Technologie. Dabei werden Glasfaserleitungen, die mit den großen Stromtrassen geführt werden, genutzt.

Das gleiche Prinzip will auch Reichel verwenden. Doch während die Enso die Glasfaserkabel nur bis zum nächsten Telekom-Verteiler verlegt, will Reichel die Glasfaserkabel bis ins Haus legen. Die Übertragungsrate steige damit um ein Vielfaches. Reichel spricht sogar von Petabit. Das wäre die milliardenfache Schnelligkeit der derzeit besten Enso-Verbindung. Und die ist mit 100 Megabit schon sehr schnell.

Reichel stemmt das Projekt Strießen-Süd nicht allein. Er gehört zu einem Verbund von sachsenweit 20 IT-Spezialisten, die sich für den generellen Einsatz von Glasfasserkabeln bei Internetverbindungen einsetzen. Weitere Pilotprojekte gebe es in Pfaffendorf bei Königstein und in Dippoldiswalde.

Der Moritzburger will im Großenhainer Umspannwerk (am Ortsausgang Richtung Zschauitz) am Glasfasernetz der Enso anschließen. Eine entsprechende Zusage der Enso lege vor. Von dort soll die Glasfasserleitung bis nach Strießen verlegt werden. Das sind rund sechs Kilometer. Die reinen Materialkosten legen bei zwei bis fünf Euro pro Meter. Wie hoch die Kosten für den Tiefbau sind, sei noch offen, so Reichel. Entsprechende Angebote legen noch nicht vor. Eine konkrete Kalkulation für das Vorhaben gibt es scheinbar noch nicht.

Ohnehin orientiert Reichel darauf, dass die jeweiligen Gemeinden das Kabel auf ihre Kosten verlegen. „Sie kriegen ja den Breitbandausbau mit 92 Prozent gefördert“, sagt er. Die restlichen acht Prozent Eigenanteil hätten die Gemeinden als Internetanbieter innerhalb weniger Jahre wieder rein.

Doch auch für den Fall, dass die Gemeinde Priestewitz dieses unternehmerische Risiko nicht tragen will, lässt Reichel das Projekt Strießen-Süd nicht fallen. „Wenn dort drei Leute sagen, wir brauchen das, dann machen wir es“, sagt er. „Perspektivisch lohnt sich das, auch wenn ich davon noch nicht leben kann.“ Er verdient ohnehin sein Geld mit der Überwachung von Glasfaserkabeln – in Neuseeland. Von Moritzburg aus!