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Der Frust und der Sex

Linus Förster, ehemaliger SPD-Politiker in Bayern, muss wegen schweren Missbrauchs von Frauen und wegen Besitzes von Kinderpornografie für fast vier Jahre in Haft.

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© dpa

Ulf Vogler

Augsburg. Die Oppositionsrolle im bayerischen Landtag war nicht nach dem Geschmack von Linus Förster. Dass er als SPD-Hinterbänkler wenig Anerkennung im Maximilianeum und darüber hinaus erhielt, kratzte am Ego des Augsburger Parlamentariers. Förster wurde depressiv, ließ sich 2012 in einer psychosomatischen Klinik in Prien am Chiemsee behandeln und lernte dort eine 26 Jahre alte Patientin kennen, die sein erstes Missbrauchsopfer werden sollte. In den Jahren darauf kam es zu weiteren Übergriffen bei anderen Frauen. Dafür bekam der 52 Jahre alte Ex-Politiker am Freitag die juristische Quittung: drei Jahre und zehn Monate Gefängnis.

Förster hatte in dem Prozess offen über seinen Narzissmus und seine diversen Partnerschaften gesprochen. Berufliche Probleme kompensierte er mit einem ausschweifenden Sexualleben, das in dem Verfahren vor dem Landgericht Augsburg nun ausgebreitet wurde. Peinlich für Förster und höchst unangenehm für seine Freundinnen, die als Zeuginnen öffentlich über ihr Intimleben berichten mussten. Einige Opfer sind nach den Erlebnissen auch traumatisiert.

Letztlich driftete Förster bei seinen häufig wechselnden Beziehungen spätestens seit dem Krankenhausaufenthalt in den illegalen Bereich ab. „Seitdem suchte er auch einen besonderen Kick durch sogenannte Grenzüberschreitungen“, bezeichnete der Vorsitzende Richter Lenart Hoesch dies - als „Grenzüberschreitungen“ hatte Förster seine Taten auch immer wieder selbst bezeichnet. Der Kammervorsitzende sprach in seinem Urteil auch über die „Selbstverliebtheit“ des ehemaligen Landtagsabgeordneten und dessen „Beuteschema: blond, klein, zierlich“.

Sex spielte in Försters Leben jedenfalls eine große Rolle. Er selbst sagte, dass er sich da seit Jahrzehnten Bestätigung geholt habe. Lange war Förster auch mit dem Sammeln von Pornofotos und -videos aus dem Internet beschäftigt, seit 2009 speicherte er auch Kinderpornos. Vor Gericht beteuerte er, nicht pädophil zu sein. Die Kinderpornos seien eher eine Art Beifang bei der Jagd nach Pornografie gewesen.

Solche Dateien fand die Kripo auch in Försters beiden Abgeordnetenbüros in Augsburg und München, wo es eh nicht immer nur um Politik ging. Das Sofa im Münchner Büro diente auch für Schäferstündchen und mit seinen Mitarbeitern machte Förster schon mal einen Betriebsausflug in die Sauna.

Förster brach es das Genick, dass er unbedingt auch seine eigenen Privatpornos drehen wollte - auch wenn die jeweilige Sexpartnerin davon nichts wusste. Mehrfach fertigte er solche Filme heimlich an. Seine Freundin aus der Klinik missbrauchte Förster zweimal, nachdem die Frau Schlafmittel genommen und weggedämmert war, natürlich lief auch dabei die Kamera. Nicht nur in diesem Fall lieferte der Abgeordnete der Kripo so selbst die Beweismittel für das spätere Verfahren wegen schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person und anderer Straftatbestände.

Richter Hoesch hielt Förster beim Urteil dessen umfassendes Geständnis zugute. Außerdem habe der 52-Jährige seine berufliche Existenz und seine Reputation verloren, er sei „gesellschaftlich erledigt“. Schließlich sitzt Förster seit Ende 2016 in Untersuchungshaft. Damals gab er sein Landtagsmandat auf und trat aus der SPD aus.

Opferanwalt Andreas Thomalla fand das Urteil der Kammer vertretbar. „Es ist mehr oder weniger die goldene Mitte“, meinte er. Die Staatsanwaltschaft hatte vier Jahre und neun Monate Haft gefordert, Försters Verteidiger Walter Rubach maximal drei Jahre. Thomalla findet, dass das Verfahren im Sinne der Frauen eher nicht mehr weitergeführt werden sollte. „Die Opfer wollen auch mal Ruhe haben.“

Rubach deutete aber an, dass er sich gut einen Revisionsantrag vorstellen kann: „Wir überlegen uns das ernsthaft.“ Auch die Staatsanwaltschaft betonte, dass erst in der kommenden Woche über Rechtsmittel entschieden werde. (dpa)