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Dauerstress vor Weihnachten

Als kleine Handwerker verkleidet, schlüpfen Kinder in Pirna aus den Kalendertürchen. Die SZ trifft ihre Vorbilder. Heute: Der Fleischer

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© SZ

Von Christian Eissner

Pirna. Beim typischen Weihnachtsessen denkt jeder zuerst an Gänsebraten. Aber mal ehrlich: Wir tun damit einem anderen wichtigen Weihnachts-lieblingsgericht unrecht, denn was wäre der Heiligabend ohne Wiener Würstchen. In vielen Familien werden sie traditionell nach der Bescherung gefuttert, meist mit Kartoffelsalat.

Fleischermeister Thomas Schick ist im Dauerstress vor Weihnachten. Hier stellt er gerade frische Knacker her. Wenn es auf Heiligabend zugeht, sind bei der Kundschaft aber vor allem auch Wiener Würstchen gefragt.
Fleischermeister Thomas Schick ist im Dauerstress vor Weihnachten. Hier stellt er gerade frische Knacker her. Wenn es auf Heiligabend zugeht, sind bei der Kundschaft aber vor allem auch Wiener Würstchen gefragt. © Kristin Richter
Annika (8) aus Bahretal schaut am 14. Dezember als Fleischerin aus dem Türchen des Pirnaer Adventskalenders.
Annika (8) aus Bahretal schaut am 14. Dezember als Fleischerin aus dem Türchen des Pirnaer Adventskalenders. © Marko Förster

Die Wiener kommen zum Beispiel von Fleischermeister Thomas Schick in Pirna. Vor dem Fest herrscht in der Familienfleischerei am Hauptplatz in Copitz Hochkonjunktur, das Team hat kaum eine freie Minute. Rollwagen um Rollwagen verlassen frisch gebrühte Wiener die Wurstküche, Fleischermeister Schick schätzt, dass es so um die 50000 bis 60000 Stück in diesen Tagen sein müssen, so ganz genau hat er sie noch nie gezählt. Die Arbeitstage sind lang jetzt, denn es müssen ja nicht nur Wiener hergestellt werden. Zwischen Weihnachten und Silvester haben die Mitarbeiter dafür ein paar Tage Pause.

Thomas Schick führt die einzige Fleischerei in Pirna, in der noch geschlachtet wird, er hat somit den gesamten Verarbeitungsweg des Fleisches unter seiner Kontrolle. Die Pirnaer wissen das zu schätzen, sie kaufen gern in den beiden Läden am Hauptplatz und in der Breiten Straße. Für seine Wiener verarbeitet Schick nicht nur Schweinefleisch. „In eine echte sächsische Wiener muss zur Hälfte Rindfleisch, damit sie den richtigen Biss und die richtige Farbe bekommt“, erläutert er.

Die Tiere, die in Copitz geschlachtet werden, stammen alle aus Landwirtschaftsbetrieben in der Region, mit denen die Fleischerei schon lange zusammenarbeitet. So kommen die Bullen in der Regel aus Lohmen oder Wehlen, die Kälber aus Niederseidewitz und die Schweine aus Stolpen. „Vor der Schlachtung kommt es auf kurze Transportwege an, damit die Tiere keinen Stress bekommen“, erläutert der Fleischermeister. „Das merkt man später an der Fleischqualität. Wenn Sie im Supermarkt ein Steak kaufen, das in der Pfanne auf die Hälfte zusammenschrumpelt und zäh wird, dann liegt das unter anderem am Stress, den das Tier vor der Schlachtung hatte.“ Als Fachmann sieht und fühlt er so etwas dem Fleisch an, so wie er aus Erfahrung ziemlich genau beurteilen kann, wie ein Rind oder Schwein gelebt hat. „Als Fleischer ist man ein halber Arzt.“ Und auch in Mathe, in Fragen der Lebensmittelhygiene und bei der Einschätzung chemischer und physikalischer Prozesse sollte man fit sein, um den Beruf richtig ausüben zu können. „Die Fleisch- und Wurstproduktion ist ein ständiger Wettlauf mit der Zeit.“

Was man ansonsten braucht, um Fleischer zu werden? Kräftige Hände, sagt Thomas Schick. „Ich habe öfter mal Praktikanten, die staunen immer, wie sehr man zupacken können muss.“ Um die Nachfolge im seit 1930 bestehenden Familienbetrieb muss ihm unterdessen nicht bange sein. Einer seiner Söhne ist gerade im zweiten Lehrjahr zum Fleischergesellen.