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Der fast vergessene Olympiasieg

Ein seltenes Gold für die DDR. Vor 40 Jahren gewannen die Fußballer in Montreal. Und nicht nur sie überraschten.

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Von Erik Roos

Noch immer hat Hans-Jürgen Dörner den Olympiasieg von 1976 vor Augen, jeden Tag. „Die Goldmedaille steht bei mir zu Hause in der Vitrine. Ich habe in meiner Karriere viel erreicht, aber dieser Erfolg übertrifft alles“, sagt Dixie über jenen historischen Sonnabend in Montreal, an dem er die DDR zum bis heute einzigen Olympiasieg einer deutschen Fußball-Mannschaft führte. 3:1 hieß es am Ende gegen Polen.

An diesem Sonntag jährt sich das Finale zum 40. Mal. Doch während der damalige Kapitän noch immer einzelne Spielzüge beschreiben kann, ist der Triumph an sich ein wenig in Vergessenheit geraten. Wohl auch, weil die westlichen Nationen in Kanada nur mit Amateuren am Start waren, die Ostblock-Staaten aber ihre aus Staatsamateuren bestehenden A-Nationalteams schickten. Dörner hält dagegen. „Wir haben gegen Brasilien und Spanien gespielt, gegen Frankreich mit Platini. Natürlich waren das nicht die A-Teams, aber das waren deswegen keine Amateure. Das waren Profis, wenn auch noch junge“, sagt der Dresdner. In der Tat war der Weg zu Gold kein Spaziergang: Der Finalgegner Polen war zwei Jahre zuvor WM-Dritter geworden, im Angriff stürmte unter anderem WM-Torschützenkönig Grzegorz Lato.

Doch jener 31. Juli 1976 erwies sich als Glückstag für die DDR. Am Morgen holte Waldemar Cierpinski Marathon-Gold und wurde zur Legende, wenige Stunden später lieferten die Fußballer eines ihrer besten Länderspiele ab. Längst vergessen war da das 0:0 gegen Brasilien zum Auftakt, nach dem DDR-Sportchef Manfred Ewald eine Brandrede gehalten und gedroht hatte, die Mannschaft nach Hause zu schicken.

Im Finale hielt nicht mal der miserable Rasen das Team auf. „Im Stadion war zuvor eine Reitveranstaltung. Danach wurde der Platz einfach mit grüner Farbe bestreut“, erinnert sich Dörner. Sein Dynamo-Mitspieler Hartmut Schade (7.) sowie Martin Hoffmann (14.) beruhigten schnell die Nerven, nach Latos Anschluss (59.) machte mit Reinhard Häfner (84.) ein weiterer Dresdner alles klar. „Mit spritzigem Angriff und sicherer Abwehr zum ersten Olympiasieg“, titelte das Neue Deutschland.

40 Jahre später ist das Team noch immer eine Einheit. „Wir telefonieren viel, bei Länderspielen treffen wir uns“, sagt Dörner. Schmerzlich vermisst werden dann Trainer Georg Buschner, der 2007 starb, und Mittelfeldspieler Reinhard Lauck. „Mäcki“ kämpfte nach der Karriere mit Alkoholproblemen, 1997 starb er an den Folgen eines Fahrradsturzes. In Laucks Heimat Sielow, ein Cottbus-Vorort, wurde eine Kopie der Goldmedaille in den „Walk of Fame“ vor dem Rathaus eingelassen. „Unsere Mannschaft war einzigartig, wir hatten Gold verdient“, sagt Dörner. (sid)

Buch-Tipp: Uwe Karte „Montreal privat. Die unglaubliche Geschichte vom Olympiasieg der DDR-Fußballer“, Verlag Die Werkstatt, 192 Seiten, 189 Fotos/Abbildg., 19.90 Euro.