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Der Fall Ede Geyer – Jetzt spricht Hartmut Schade

Hartmut Schade war Stasi-IM und ist Dynamo-Ehrenspielführer. Jetzt sagt er, was er von der Debatte um Eduard Geyer hält.

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© Robert Michael

Von Sven Geisler

Hartmut Schade ist erst 18 Jahre alt, als er sein erstes Europapokalspiel für Dynamo Dresden bestreitet. Beim Sieg gegen Juventus Turin im September 1973 erzielt er das Tor zum 2:0-Endstand. Das Weiterkommen gegen das Starensemble aus Italien ist eine der Sternstunden in der Vereinsgeschichte. Schade ist in den Glanzzeiten ein Stratege im Mittelfeld der Schwarz-Gelben, mit denen er viermal DDR-Meister und dreimal Pokalsieger wird. Mit der DDR-Auswahl gewinnt er 1976 Olympiagold, sein größter Erfolg. Im November 2016 wird er zum Ehrenspielführer ernannt, auch sein Bild hängt im Stadion. Und auch er war inoffizieller Mitarbeiter der Stasi, Deckname „Kremer“. Im Gespräch mit der SZ spricht der 63-Jährige über seine Vergangenheit und den Streit bei Dynamo.

Herr Schade, wie stehen Sie zur Forderung, Eduard Geyer den Titel als Ehrenspielführer abzuerkennen?

Die Diskussion ist erst einmal nicht gut für den Verein und fehl am Platz. Ich verstehe nicht, was der Beweggrund dafür ist, denn es liegt – soweit ich das beurteilen kann – nichts Neues vor, sondern es sind die gleichen Erkenntnisse, die seit vielen Jahren bekannt sind. Jeder hat gewusst, dass Eduard Geyer dabei war und ein gewisses Standing bei der Stasi hatte. Aber ihren Rausschmiss als Trainer darauf zurückzuführen, wie jetzt Dieter Riedel meint, ist eine sehr gewagte These.

Wieso?

Die Mannschaft hatte in Uerdingen verloren, ist danach gegen Union Berlin im Pokal ausgeschieden und hat in der Meisterschaft den sechsten Platz belegt. Wenn du als Trainer zu oft verlierst, wirst du als Trainer entlassen, das war zu DDR-Zeiten genauso wie heute – und unabhängig davon, was ein IM der Stasi erzählt haben mag.

Wie soll Dynamo Ihrer Meinung nach mit dem Thema umgehen?

Die grundsätzliche Frage ist: Wer hat wem geschadet? Das muss man ordentlich aufarbeiten, aber auch einen Schlussstrich ziehen, wenn es keine neuen Erkenntnisse gibt wie bei Eduard Geyer. Es ist bekannt, dass er Geld genommen hat und was er berichtet hat. Ich weiß nicht, welche neuen Informationen es geben soll. Wenn die anderen drei Spieler deshalb jetzt den Titel Ehrenspielführer zurückgeben wollen, halte ich das für eine Überreaktion.

Sie waren selbst jahrelang als IM geführt. Wie bewerten Sie das heute?

Dazu habe auch ich mich schon vor Jahren eindeutig geäußert: Ich hatte mit 18 einen Fehler gemacht und habe den mit 30 korrigiert. Wir waren als Verein durch die Europapokalspiele für die Staatssicherheit besonders interessant geworden, also wurden mehrere Spieler angesprochen. Das war leider so. Ob man mitmachen musste oder nicht, kann man aus heutiger Sicht doch gar nicht mehr sachlich beurteilen. Für mich war das ein Prozess, als junger Mensch zu verstehen, was dahintersteckt.

Konnten Sie denn 1984 problemlos aussteigen?

Nein, sie haben natürlich versucht, mich zu überzeugen, weiterzumachen. Aber sie hatten kein Druckmittel mehr: Ich musste meine Karriere nach einer Verletzung beenden, konnte also auch nicht mehr ins Ausland fahren. Ich war sowieso ein sehr unzuverlässiger Mitarbeiter gewesen, das stand auch so in meiner Akte.

Worüber haben Sie bei den Treffen mit Ihrem Führungsoffizier gesprochen?

Ich habe das Kapitel für mich abgeschlossen. Vor Europacup-Spielen wurde gefragt, wie die Stimmung ist und bei wem man den Ansatz sehen könnte für eine Republikflucht, wer sich wie zu politischen Themen geäußert hat.

Wie haben Sie sich bei solchen Fragen aus der Affäre gezogen?

Ich habe ihnen irgendeinen Mist erzählt, das war für sie eher kontraproduktiv. Deswegen haben sie wohl auch keinen Stress gemacht, nachdem ich ausgestiegen war.

Darf man als IM überhaupt Ehrenspielführer von Dynamo sein?

Ich denke schon. Für mich hat das nichts mit der sportlichen Leistung zu tun. Ich habe auch meine Meinung zur Tradition. Für mich gehört dazu, dass man zum Verein steht, auch wenn es ihm schlecht geht. Ob das Hans-Jürgen Kreische immer so getan hat, soll er für sich bewerten.

Aber auch die sportliche Qualifikation von Geyer stellen die Kritiker infrage.

Da bin ich schon eher ihrer Meinung, aber das ist zu spät. Eduard Geyer ist ernannt worden für das, was er für den Verein geleistet hat. Jetzt zu diskutieren, ob das ausreichend war, halte ich für Schwachsinn.

Was bedeutet es Ihnen, Ehrenspielführer von Dynamo zu sein?

Das ist für mich ein Titel für die Ewigkeit, eine Wertschätzung für das, was man geleistet hat. Es macht mich unheimlich stolz, in dieser Riege zu stehen als nicht so begnadeter Fußballer wie Dixie Dörner oder Reinhard Häfner.

Was würde es bedeuten, wenn Sammer, Kreische und Riedel ihr Bild im Stadion abhängen lassen?

Es wäre eine mittelgroße Katastrophe. Sie gehören absolut in diese Reihe. Ich hoffe, dass man gemeinsam mit dem Verein noch einen anderen Weg findet und zu einer vernünftigen Lösung kommt.