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Der Faktensammler

Herbert Bergmann aus Sebnitz hat eine Sammlung zur Stadt zusammengetragen. Die gibt es so nirgends.

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© Dirk Zschiedrich

Von Anja Weber

Sebnitz. Der Sebnitzer Herbert Bergmann hat schon viele Vorträge über die Geschichte von Sebnitz und die Umgebung gehalten. Doch dieser soll sein Letzter sein. Das hat er für sich entschieden. Dementsprechend aufgeregt ist er. Immer wieder streicht er sich über sein Gesicht, ordnet das Papier auf dem Tisch, schüttelt Hände zur Begrüßung. Immer wieder schaut er auch zur Tür im Saal des Hauses des Gastes. Stuhl um Stuhl wird besetzt. Die Veranstaltungen des Freundeskreises der Städtischen Sammlungen Sebnitz sind gut besucht. Man kennt sich untereinander. Und doch war der April-Vortrag ein Besonderer. Denn Herbert Bergmann hatte seinen Abschied angekündigt. Seine jahrelange Arbeit an der Sebnitzer Chronik hat er bereits beendet, seine umfangreiche Faktensammlung über die Ereignisse in Sebnitz hat er ebenfalls an die Städtischen Sammlungen übergeben.

Doch das er sich nun ganz zurückziehen will, das kann an diesem Abend keiner so richtig glauben, auch seine Frau nicht. Sie war viel mit ihm unterwegs, in Archiven und viele Male in der sächsischen Landesbibliothek. Dass ein Termin dort nicht innerhalb einer Stunde erledigt war, das wusste sie bereits vorher. Ihr zuliebe wolle er nun aufhören, sagt Herbert Bergmann. Denn in den vergangenen Jahren hat er viel Freizeit in die Sebnitzer Historie gesteckt. Und wie jeder Chronist war er oft ganz in dieser Welt versunken. Natürlich hat er viele Helfer aus dem Freundeskreis der Städtischen Sammlungen gehabt. Ihnen dankt er ganz besonders.

Herbert Bergmann hat Unmengen von historischen Beiträgen verfasst, hat für Chroniken geschrieben, Broschüren und Bücher erarbeitet, so zum Beispiel zur Geschichte der Kunstblumenindustrie und anderer früherer Firmen in Sebnitz. Auch eine Chronik aus der Wendezeit ist dabei. Er hat aber auch einige ganz ungewöhnliche Bücher zusammengestellt. Er nennt sie seine Faktensammlung über Sebnitz. In mehreren Bänden hat er Zeitungsartikel, Beiträge und alles, was schriftlich über die Stadt festgehalten wurde, gesammelt und mit eigenen Erläuterungen ergänzt. Insgesamt 1 226 Seiten enthält die in Heften gebundene Faktensammlung, aufgegliedert in einzelne Jahre. Bis 2003 liegt diese in gebundener Form vor, danach lose. Nun wird überlegt, ob auch die letzten Jahre noch gebunden werden. Allerdings ist das eine finanzielle Frage. „Ich habe in meinen Anmerkungen die Formulierungen so gewählt, dass sie auch von den nachfolgenden Generationen noch verstanden und eingeordnet werden können“, sagt Herbert Bergmann.

Seine Sammlung gibt zum Beispiel Aufschluss darüber, wie viele 100-Jährige in Sebnitz in den vergangenen Jahrzehnten gelebt haben. Die bislang älteste Sebnitzerin war eine Martha Hofmann mit 107 Jahren. Und der erste 100 jährige in Sebnitz war ein Urban Kumpe, der 1665 starb. Herbert Bergmann hat die komplette Namensliste aller Bürgermeister, aller Pfarrer, aller Ehrenbürger aufgeschrieben und die Einwohnerstatistik erfasst.

In seiner Faktensammlung gibt er Auskunft über Morde in früheren Zeiten. Der Erste dokumentierte soll 1587 in einer Mühle stattgefunden haben. Auch über Suizide in Sebnitz hat er einiges gesammelt. Wer sich die Zeit nimmt und in der Sammlung stöbert, kann sich auf eine ungewöhnliche Zeitreise durch die Sebnitzer Geschichte begeben. Manfred Schober, Ehrenbürger und ehemaliger Museumsleiter, lobte die Faktensammlung, weil sie das Alltagsleben in der Stadt darstellt, das sonst nicht festgehalten worden wäre. Das Projekt selbst wird von der jetzigen Museumsleiterin Andrea Bigge fortgesetzt. Es sei wichtig, dass zur Historie einer Stadt eben auch die kleinen Ereignisse und Episoden aufgezeichnet werden, sagt sie. Allerdings wird Andrea Bigge nicht mehr Zeitungsausschnitte ausschneiden. Alle Fakten über Sebnitz und die Ortsteile werden nun im Computer erfasst.