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Der erste Görlitzer Bildreporter

Vor 90 Jahren starb Robert Scholz. Ihm hat die Stadtchronik viel zu verdanken. Doch manches ist verschollen.

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© Sammlung Görlitzer Fotomuseum

Von Ralph Schermann

Görlitz. Sie sind Verkaufsschlager im Buchhandel: Bilddokumentationen über das alte Görlitz. Keine geschichtliche Publikation kommt ohne alte Bilder aus. Dieses unverwüstliche Interesse wäre undenkbar ohne das fotografische Lebenswerk eines Mannes, dessen 90. Todestag vor allem die Fachleute gedenken: Robert Scholz.

Der vordere Mann beim Blick von der Prager Straße über die Neiße ist der Fotograf Robert Scholz. 1885 ließ er diese Aufnahme anfertigen.
Der vordere Mann beim Blick von der Prager Straße über die Neiße ist der Fotograf Robert Scholz. 1885 ließ er diese Aufnahme anfertigen. © Sammlung Görlitzer Fotomuseum
Wohnung und Atelier befanden sich auf der Bismarckstraße 9. Das Bild von 1881 zeigt Robert Scholz bei Gartenarbeiten.
Wohnung und Atelier befanden sich auf der Bismarckstraße 9. Das Bild von 1881 zeigt Robert Scholz bei Gartenarbeiten. © Sammlung Görlitzer Fotomuseum

Am 6. Juli 1843 in Bunzlau als Kaufmannssohn geboren, nahm er dort nach dem Besuch der Bürgerschule 1857 eine Lehre als Fotograf im Geschäft seines Vaters auf. Zwischen 1861 und 1863 bekam er die Möglichkeit, in Hamburg und Nordhausen in Fotoateliers seine Ausbildung zu vervollkommnen. Weitere vier Jahre lang arbeitete er im Atelier des elterlichen Unternehmens, bis er 1867 in Görlitz ein eigenes Geschäft mit Atelier gründen konnte. Für Jahrzehnte wurde die Bismarckstraße 9 zu einem fotografischen Zentrum der Stadt, die ja auch im Kamerabau und in der optischen Industrie einen guten Namen hatte. 1868 heiratete Robert Scholz die ebenfalls aus Bunzlau stammende Bertha Besser. Fünf Kinder kamen zur Welt: Alfred (1869), Felix (1871), Erich (1872), Bruno (1875) und Elisabeth (1881). Bald war Robert Scholz zu einem gefragten Spezialisten für Landschafts-, Gebäude- und Industrieaufnahmen geworden. Jahrzehntelang dokumentierte er die Görlitzer Baugeschichte.

Von seinen Bildern her kennen wir die Altstadt in ihrem damaligen Erhaltungszustand, Abrissarbeiten und Bauabläufe, vor allem stadtbildprägende Neubauten der wilhelminischen Zeit 1871 bis 1918. Für Kulturhistoriker und Denkmalpfleger ist dies ein unersetzlicher Schatz. Mit seinen Fotos von herausragenden stadtgeschichtlichen Ereignissen wurde Robert Scholz zum ersten Bildreporter der Stadt. Noch konnte er nicht wissen, wie wichtig seine vorbildlichen und bildlinientreuen Architekturfotos für die heutigen Sanierungen und Rekonstruktionen in der historischen Denkmalstadt Görlitz sein würden. Er überlieferte Grundsteinlegungen und Denkmalweihen, Kaiserparaden und Schützenfeste, Industrieausstellungen und Musikfeste. Doch er wirkte längst nicht in Görlitz allein. Er leistete Beiträge zu den Wiener Gewerbeausstellungen 1875 und 1880, brachte Preise von Reisen nach Kalkutta und Philadelphia mit und hinterließ auch in Potsdam, München, Breslau und in der Hauptstadt Berlin reichhaltige fotografische Spuren.

Robert Scholz arbeitete nicht nur für Laufkunden, sondern legte sich ein reiches Archiv an, aus dem er bei Anforderungen immer schöpfen konnte. Er fotografierte aber nicht nur Architektur, sondern auch die Menschen. Er schuf Naturstudien und Tieraufnahmen und erwies sich somit als gar nicht auf ein fotografisches Genre festgelegt. Um seinen Fotos eine weite Verbreitung zu sichern, gründete er 1893 eine Anstalt zur Fertigung von Zinkklischees und von Lichtdrucken. In Büchern und Festschriften, Bildmappen und Zeitungen erreichten seine Arbeiten auf dieser Grundlage eine zahlreiche Lesergemeinde. Stadtmotive, die im eigenen Ansichtskartenverlag erschienen waren, gingen als Kartengrüße in alle Welt. Auch mit seiner Privatsammlung historischer Stadtansichten, mit seinem Einsatz für die Stadtbildpflege und als Mitglied der „Görlitzer Liedertafel“ förderte Robert Scholz Geschichtsverständnis und Heimatliebe.

Nur eins stört heutige Chronisten: Scholz signierte seine Bilder fast nie. Deshalb ist es kaum möglich zu unterscheiden, wer von ihm oder seinen Söhnen oder auch Mitarbeitern die jeweiligen Bilder aufgenommen hat. Im Ratsarchiv laufen alle diese Bilder lediglich unter dem Namen Robert Scholz. Und es sind bei Weitem nicht alle. Denn nur ein kleiner Teil seiner Negative konnte von den Städtischen Kunstsammlungen einst übernommen werden. „Das umfangereiche Postkartenarchiv durfte nicht genutzt werden, weil es zahlreiche schlesische Motive östlich der Neiße enthielt“, notierte der verdienstvolle Görlitzer Fotograf Werner Hahn in einer Denkschrift für Robert Scholz. Wo diese Negative verblieben sind, ist weiterhin unbekannt.

1920 übergab Robert Scholz das Atelier an seine Söhne Alfred und Felix. Seine Frau Bertha starb bereits im Jahr 1900, er folgte ihr am 21. Oktober 1926.