Merken

Der Bus geht, das Werk bleibt

Nach Protesten von Betriebsrat und Politik will der MAN-Konzern das Plauener Neoplan-Werk erhalten. Was dort künftig passieren soll, ist aber unklar.

Teilen
Folgen

Von Lars Radau

Er hatte es kommen sehen. Schon vor einem reichlichen Jahr, sagt Egbert Langhammer, hätten die Lieferströme ganz allmählich begonnen, ihre Richtung zu ändern. Weg von der Weißen Elster, in Richtung Bosporus. Weg von Plauen im Vogtland in Richtung Ankara, Türkei. Der kräftige 39-Jährige ist Logistikplaner im Plauener Neoplan-Buswerk. Dass mittlerweile selbst die Sitze, die die 426 Mitarbeiter in Plauen in ihr Luxus-Modell Starliner einbauen, den Umweg über die Türkei nehmen, sei im Nachhinein „durchaus ein Signal“ gewesen. Aber Langhammer, seit einigen Monaten auch im Betriebsrat, hatte sich – wie die meisten seiner Kollegen – in Sicherheit gewogen. Schließlich gibt es einen gültigen „Zukunftstarifvertrag“. Er wurde abgeschlossen, als das Werk 2010 schon seinen „Gerippebau“ ins ostpolnische Starachowice abgeben musste. Seitdem kommen die Bus-Rahmen mit dem Tieflader ins Vogtland. Dafür sollte es dort laut Vertrag bis ins Jahr 2016 keine betriebsbedingten Kündigungen geben.

Schluss mit Bus in Plauen

Daran wird sich der MAN-Konzern, zu dem Neoplan gehört, wohl auch halten. Trotzdem ist in Plauen Schluss mit Bus: Voraussichtlich im Mai kommenden Jahres wird der letzte Starliner vom Hof des Traditionsbetriebes rollen, der auf die kurz nach dem Ersten Weltkrieg gegründete Vogtländische Maschinen AG (Vomag) zurückgeht. Die Produktion aus Plauen wird in die türkische Hauptstadt Ankara verlegt, wo der MAN-Konzern ein reichlich dreimal so großes Buswerk betreibt.

Dass in Plauen die Lichter dennoch nicht ganz ausgehen, ist vor allem den intensiven Verhandlungen der vergangenen Tage zu verdanken. Am Dienstag hatte MAN angekündigt, die Produktion aus dem Vogtland nach Ankara zu verlegen. Der Schritt sei „alternativlos“, hatte Anders Nielsen, Chef der MAN-Sparte Truck & Bus, den geschockten Werkern auf einer Betriebsversammlung verkündet. Das Werk sei nur zu einem Drittel ausgelastet, statt der theoretisch möglichen 900 Busse waren 2013 nur 280 gebaut worden.

Allein: Die Quote sieht in Ankara nicht viel besser aus, betont Egbert Langhammer. Dort könnten mehr als 3.000 Busse gebaut werden, aktuell seien es etwas mehr als 1.000. „Da machen unsere Autos keinen großen Unterschied“, sagt Langhammer. Mehr noch: Das Plauener Werk ist seit 2010 für rund 22 Millionen Euro aufgewertet worden, bekam eine neue Lackiererei und ein neues Logistikzentrum, das noch nicht einmal komplett fertig ist. „Betriebswirtschaftlich erschließt sich mir das nicht“, sagt Langhammer vorsichtig. Selbst wenn die Summe für den gesamten VW-Konzern, zu dem MAN und damit Neoplan gehören, eher „bei den sprichwörtlichen Peanuts“ einzuordnen sei.

Diese Argumente haben Vertreter des Betriebsrates und der IG Metall ab Mittwoch dem MAN-Vorstand in München vorgetragen. Es scheint aber, als habe vor allem das, was Egbert Langhammer „die politische Schiene“ nennt, dazu beigetragen, dass eine Schließung vorerst abgewendet ist. Noch am Dienstag hatte sich Plauens Oberbürgermeister Ralf Oberdorfer per Brief an Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich gewandt. Der wiederum telefonierte mit VW-Vorstandschef Martin Winterkorn. Und am Donnerstagmorgen, heißt es aus der Münchner Verhandlungsdelegation, sei der ursprüngliche Plan, den Standort dichtzumachen, überraschend schnell vom Tisch gewesen.

„Mit diesem massiven Widerstand hatte man bei MAN wohl nicht gerechnet“, sagt Stefan Kademann, 1. Bevollmächtigter der IG Metall in Zwickau. Einen Plan B für Plauen habe es offenkundig nicht gegeben.

Dementsprechend kann MAN-Sprecher Andreas Lampersbach aktuell auch nur bestätigen, dass der Standort erhalten bleiben soll. Es stelle sich jetzt die Aufgabe, „ein wirtschaftliches Konzept mit einer sicheren Zukunftsperspektive“ für das Werk zu entwickeln. Wie das konkret aussehen kann, ist derzeit noch unklar. Fest steht indes: Nur ein Teil der 426 Jobs könne am Standort Plauen verbleiben, betont Lampersbach.

Nächste Ausfahrt Zwickau?

Das hatte sich bereits am Dienstag abgezeichnet. Fast parallel zur Betriebsversammlung in Plauen hatte VW Sachsen verkündet, den Busbauern ein Angebot zu unterbreiten. Mit der Inbetriebnahme der neuen Fertigungslinie für Golf und Passat im Sommer 2014 und dem Anlauf des neuen Passat Variant ab Herbst 2014 würden im Werk Mosel bei Zwickau zusätzliche gut ausgebildete Fachkräfte benötigt, hatte ein Sprecher gesagt.

Die Handvoll Neoplan-Werker, die am Mittwoch, einen Tag nach dem Kurzauftritt ihres Sparten-Chefs im Schatten hinter einer Werkhalle Mittagspause machen, sehen das Angebot durchaus skeptisch. „Für viele jüngere Kollegen dürfte ein Wechsel kein Problem sein“, sagt ein älterer Monteur im Blaumann. Andererseits hätten viele Werker sich bewusst in unmittelbarer Nähe zum Arbeitsplatz niedergelassen und eingerichtet.

Das gelte auch für den Plauener Werksleiter Andreas Knabe. Auf ihren Chef lassen die Arbeiter nichts kommen. Der Manager ist bereits seit DDR-Zeiten im Betrieb, als in Plauen noch Ikarus-Omnibusse aufgemöbelt wurden. Seitdem habe er als Chef alle Hochs und Tiefs des Werkes mitgemacht – von schwierigen Zeiten der einst eigenständigen Neoplan über die Übernahme durch MAN, die Verlagerung des Gerippebaus nach Polen bis zum vermeintlich Sicherheit bringenden Paket aus „Zukunftstarifvertrag“ und Investitionen. Vom Beschluss, den Standort aufzugeben, soll er Anfang der Woche ebenso kalt erwischt worden sein wie seine Mitarbeiter. Darüber reden möchte Knabe indes nicht.

Gleichwohl dürfte nicht nur er gestern etwas durchgeatmet haben. Dass es im Werk – wie auch immer – weitergehen soll, ist „für die gesamte Region ein kleiner Hoffnungsschimmer“, sagt Sina Krieger. Sie leitet das Industrie-Referat in der Plauener Industrie- und Handelskammer. Und allzu viele große Industriebetriebe hat ihr Referat im Vogtland nicht mehr zu betreuen. Neoplan ist nach dem Oelsnitzer Gitterrosthersteller Meißner und der Treuener Baufirma Goldbeck der drittgrößte Arbeitgeber im verarbeitenden Gewerbe. Zumindest wohl noch bis zum nächsten Mai.