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Der Bürgermeister will’s noch mal wissen

Schon zweimal hatte Josias Reich in der Kinderstadt das Sagen. Ab Dienstag darf er im Stadthallengarten erneut antreten.

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© Pawel Sosnowski

Von Ingo Kramer

Zum Pressetermin kommt der Bürgermeister mit dem Fahrrad. Er begrüßt die Journalisten mit Handschlag, ein schelmisches Grinsen im Gesicht. Josias Reich ist entspannt. Hinter ihm liegt schließlich eine ruhige Amtszeit: Seine Wiederwahl bei der Kinderstadt liegt zwei Jahre zurück. Da es seither keine Kinderstadt und somit auch keine Wahl gab, darf er sich bis heute ruhigen Gewissens Bürgermeister nennen. „Während der Kinderstadt“, sagt der 14-Jährige, „war der Posten schon sehr stressig.“ Den ganzen Tag lang war er ein gefragter Mann, musste Verhandlungen führen, Entscheidungen treffen, Interviews geben: „Da geht man hinterher nach Hause und legt sich nur noch ins Bett.“ Aber natürlich habe es auch viel Spaß gemacht.

Zur feierlichen Amtseinführung von OB Siegfried Deinege 2012 holte sich Kinderstadt-Bürgermeister Josias Reich von Deinege das Versprechen ab, die Wünsche der Görlitzer Kinder zu erfüllen.
Zur feierlichen Amtseinführung von OB Siegfried Deinege 2012 holte sich Kinderstadt-Bürgermeister Josias Reich von Deinege das Versprechen ab, die Wünsche der Görlitzer Kinder zu erfüllen. © Nikolai Schmidt

Am Dienstag beginnt die siebente deutsch-polnische Kinderstadt, diesmal im Stadthallengarten. Für knapp zwei Wochen leben die Sieben- bis 14-Jährigen, immer von 9 bis 16 Uhr, in ihrer eigenen Stadt, mit Berufen, einer Bank, Freizeitmöglichkeiten und einem gewählten Bürgermeister. Bis zu 230 Kinder aus beiden Teilen der Europastadt dürfen teilnehmen. Organisiert wird das alle zwei Jahre stattfindende Ferienereignis diesmal in Regie des Vereins Meetingpoint Music Messiaen, aber in Kooperation mit vielen Partnern auf beiden Seiten der Neiße. Vor Ort treten die Erwachsenen möglichst in den Hintergrund, übernehmen Dolmetscherarbeiten und sorgen dafür, dass alles funktioniert.

Für Josias Reich ist es die dritte Kinderstadt. Dass er gleich beim ersten Mal – als Zehnjähriger – zum Bürgermeister gewählt wurde, überrascht ihn noch heute. Er habe eigentlich nur aus Spaß kandidiert. Doch obwohl er ganz neu dabei war, kannte er schon viele Kinder. Vielleicht hat ihm das geholfen. Damals hatte er gleich mehrere große Auftritte, unter anderem zur Amtseinführung des Görlitzer Oberbürgermeisters Siegfried Deinege im Theater.

Den führte er auch durch „seine“ Stadt. Und wie es unter Kollegen üblich ist, duzte Josias Reich den OB. Ob er das heute immer noch so machen würde? „Ich glaube nicht“, sagt der Schüler, der in der Nikolaivorstadt lebt und gerade die siebente Klasse am Joliot-Curie-Gymnasium abgeschlossen hat. Er werde ja älter: „Da versucht man, die Ansprüche höher zu legen und förmlicher zu reden.“ Zudem habe er Deinege schon länger nicht mehr gesprochen, nur mal gesehen und „Hallo“ gesagt: „Ich weiß gar nicht, ob er mich überhaupt noch kennt.“

Und Josias Reich, der nicht mit der Görlitzer Stadträtin Yvonne Reich verwandt ist, hat sich bisher noch gar keine Gedanken gemacht, ob er überhaupt ein drittes Mal Bürgermeister werden möchte. „Aber eigentlich wäre es schon ganz lustig“, sagt er nach kurzem Nachdenken. Er hat auch schon Ideen, was er in der Kinderstadt verbessern möchte. So habe der Aufbau der Stände lange gedauert: „Wenn wir diesmal schneller sind, haben wir mehr Zeit für schöne Sachen.“ Und zum Start am Morgen habe es oft viel zu viel Gedränge gegeben. Beim Einlass in die Stadt und beim Arbeitsamt seien die kleinen Kinder manchmal richtig überrannt worden: „Da hat es viele Tränen gegeben.“ Künftig sollten nicht mehr alle auf einmal losrennen, sondern sich besser in vier Schlangen anstellen.

Falls er wiedergewählt wird, will er sich auf jeden Fall wieder einen Nebenjob suchen: „Vor zwei Jahren hatte ich einen Schießstand, man muss ja irgendwo investieren.“ Außerdem konnte er dort den Kopf ein bisschen freikriegen. Das würde er wieder machen. Auch ein Fußballturnier hat er damals organisiert. An politische Entscheidungen kann er sich dagegen nicht mehr so genau erinnern: „Darauf habe ich nicht so geachtet in meinem jungen Alter.“

Kindern, die noch unentschlossen sind, kann er die Kinderstadt auf jeden Fall empfehlen: „Man hat viel Spaß mit Gleichaltrigen und sitzt nicht nur zu Hause herum.“ Vor allem aber gefällt ihm, dass sich Kinder in verschiedenen Berufen ausprobieren können. Nicht nur Bürgermeister findet er spannend, sondern zum Beispiel auch Pferdewirt oder Bankangestellter. Allein, um das zu sehen, lohne sich die Teilnahme. Wer noch kurzentschlossen mitmachen will, muss sich aber sputen: Nach Aussage von Projektkoordinatorin Anna-Maria Hantschke „haben wir so viele Voranmeldungen auf deutscher und polnischer Seite erhalten wie zu keiner anderen Kinderstadt zuvor“. Über 150 Kinder sind bereits als Bürger angemeldet. Insgesamt ist die Teilnehmerzahl auf maximal 230 begrenzt. Für mehr reicht das Personal einfach nicht. „Es kann also sein, dass nicht jeder, der am Morgen vor den Toren steht, Bürger werden kann“, warnt die Koordinatorin.

Josias Reich ist schon angemeldet und hat somit seinen Platz sicher. Für ihn ist es die letzte Kinderstadt als Teilnehmer, denn mit 14 hat er jetzt das Maximalalter erreicht. Allerdings kann er sich vorstellen, später als Betreuer dabei zu sein: „Ich würde gern mal sehen, wie es hinter den Kulissen abläuft.“ Ein bisschen was habe er bei Mitarbeiterbesprechungen schon mitbekommen, aber so richtig vorstellen könne er es sich noch nicht. Eines hingegen will er später einmal nicht werden: Bürgermeister von Görlitz. „Bei der Kinderstadt ist das ja schön, weil man sich für seine Stadt einsetzen kann“, sagt er: „Auf Dauer wäre es mir aber zu stressig.“