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Der Buback-Mord und das Jahr ’77

Am 7. April 1977 ermordet die RAF Generalbundesanwalt Siegfried Buback und seine Begleiter. Es ist der Auftakt einer Eskalation der Gewalt.

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© dpa

Von Anja Semmelroch, Karlsruhe

Die Schüsse erschüttern im Frühjahr 1977 ganz Westdeutschland. Es ist Gründonnerstag, der 7. April, kurz nach neun Uhr. Generalbundesanwalt Siegfried Buback ist auf dem Weg zu seinem Arbeitsplatz in der Karlsruher Innenstadt, verspätet, der Dienstwagen wollte nicht anspringen. An einer Ampel nähert sich von hinten ein Motorrad, Fahrer mit Sozius. Als Grün wird, zieht die hintere Person eine Halbautomatik-Waffe und feuert. 16 Schüsse treffen Buback. Der 57-Jährige stirbt noch am Tatort, genau wie sein Fahrer Wolfgang Göbel. Georg Wurster, der Leiter der Fahrbereitschaft, erliegt im Krankenhaus seinen Verletzungen.

Die Täter entkommen unerkannt. An einer Autobahnbrücke wartet ein Komplize in einem Fluchtwagen. Tage später bekennt sich das „Kommando Ulrike Meinhof“ der Rote Armee Fraktion (RAF) zu der Tat: Buback sei verantwortlich für den Tod von Meinhof, Holger Meins und Siegfried Hausner in Haft. Er habe „ihre Ermordung inszeniert und geleitet“.

Heute weiß man, dass das Buback-Attentat eine Zeit des Schreckens einleitet, die als „Terrorjahr 1977“ in die Geschichte eingehen wird. Mit der „Offensive 77“ will die Gruppe inhaftierte RAF-Mitglieder freipressen. Am 30. Juli wird der Vorstandschef der Dresdner Bank, Jürgen Ponto, erschossen. Im „Deutschen Herbst“ eskalieren die Ereignisse: die Erstürmung der entführten Lufthansa-Maschine „Landshut“ in Mogadischu, die Ermordung von Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer, der Suizid der RAF-Terroristen Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe in der JVA Stuttgart-Stammheim.

Damals, im April 1977, ist der Mordanschlag auf den Generalbundesanwalt ein Schock. „Viele hatten gedacht, das Thema RAF sei beendet, man habe es geschafft“, sagt der Dresdner Anwalt und RAF-Experte Butz Peters. „Und dann diese Nachricht. Bonn war sprachlos, Bonn war entsetzt – etwas Unvorstellbares war geschehen.“

Wer steuerte das Motorrad, wer wartete an der Autobahn? Und vor allem: Wer war der Todesschütze, verborgen unterm Helm? 40 Jahre später wollen die Spekulationen nicht verstummen – auch weil der Sohn des Ermordeten, Michael Buback, nicht müde wird, Antworten einzufordern. Fest steht, dass eine ganze Gruppe von etwa 15 RAF-Mitgliedern die Operation von langer Hand plante.

Anfang der 80er-Jahre werden Knut Folkerts, Christian Klar und Brigitte Mohnhaupt wegen des Mordanschlags zu lebenslanger Haft verurteilt. Günter Sonnenberg, der nach einem Kopfschuss stark beeinträchtigt ist, wird nicht mehr der Prozess gemacht. Verena Becker, von Anfang an unter Verdacht, muss sich mehr als ein Jahrzehnt nach Auflösung der RAF im Jahr 1998 noch in Stuttgart vor Gericht verantworten. 2012 wird sie wegen „psychischer Beihilfe zum Mord“ verurteilt. Die These, sie könnte die Schützin gewesen sein, lässt sich nicht erhärten.

Für Peters ist die Tat damit weitgehend aufgeklärt. Dass ein Sohn wissen möchte, wer den Finger am Abzug hatte, sei verständlich. „Strafrechtlich und zeitgeschichtlich ist das aber nur ein kleiner Aspekt“, sagt er. Der heutige Generalbundesanwalt Peter Frank versichert, dass seine Behörde seit der Tat nichts unversucht gelassen habe. „Die Hoffnung sollte man nie aufgeben, aber man muss das auch realistisch betrachten“, sagt er zum Jahrestag. Über manipulierte Ermittlungen oder eine Verwicklung staatlicher Stellen habe er „keine Erkenntnisse“. (dpa)