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Der bröckelnde Riese

Die Stadt hat den Bauantrag für das Haus am Pirnaischen Platz abgelehnt. Dabei gibt es schon wieder einen Defekt im so genannten „Assi-Hochhaus“.

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© Lars Kühl

Von Sandro Rahrisch

Die letzten Monate hatten es in sich: Erst brannte im fünften Stock eine Wohnung aus. Dann ist den Mietern des Hochhauses am Pirnaischen Platz verkündet worden, dass sie von den oberen Etagen in die unteren ziehen sollen, damit diese saniert werden können. Und als würde das nicht reichen, wurde wegen Brandschutzmängeln eine Räumung des Gebäudes erwogen. Zwar ist das markante Haus, das zu DDR-Zeiten den Schriftzug „Der Sozialsimus siegt“ trug, im Juli verkauft worden. Doch auch mit dem neuen Besitzer kommt keine Ruhe hinein. Die komplette Heizungsanlage musste nun stillgelegt werden. Und der Antrag für die Sanierung des 13-Geschossers ist auch abgelehnt worden.

2016 hat der TÜV Süd die Aufzüge im Haus geprüft. Die nächste Prüfung war laut Plakette für Juni 2017 geplant.
2016 hat der TÜV Süd die Aufzüge im Haus geprüft. Die nächste Prüfung war laut Plakette für Juni 2017 geplant. © Lars Kühl
Wer einmal im Treppenhaus ist, kann in jeder Etage problemlos auf die Balkone gelangen.
Wer einmal im Treppenhaus ist, kann in jeder Etage problemlos auf die Balkone gelangen. © Lars Kühl
Im Treppenhaus sind mal mehr, mal weniger anzügliche Einladungen zu lesen. Auch Drohungen gehören dazu.
Im Treppenhaus sind mal mehr, mal weniger anzügliche Einladungen zu lesen. Auch Drohungen gehören dazu. © Lars Kühl
Früher war das Hochhaus am Pirnaischen Platz ein Postkarten-Motiv. Heute sind Wände im Inneren beschmiert.
Früher war das Hochhaus am Pirnaischen Platz ein Postkarten-Motiv. Heute sind Wände im Inneren beschmiert. © Lars Kühl

Tatsächlich funktioniere die Heizung im Haus nicht mehr, bestätigt eine Drewag-Sprecherin. Offenbar ist die Anlage bei Arbeiten im elften Geschoss so stark beschädigt worden, dass eine Überflutung aller darunterliegenden Wohnungen drohte. Es sollen Handwerker gewesen sein, die fachlich nicht für die Arbeit am Heizungssystem zugelassen waren. Laut Drewag könne die Heizung erst wieder in Betrieb genommen werden, wenn die Leitungen repariert sind. Das sei aber Sache des Vermieters, betont die Sprecherin. Immerhin hätten die Bewohner noch warmes Wasser. Es ist nicht nur die kaputte Heizung, die den Mietern Sorgen bereitet. Im Moment sind sie auch nicht in der Lage, fristgerecht ihre Miete zu zahlen. Nachdem das Haus an die wenige Monate alte „Creo 7 Dresden GmbH & Co. KG“ verkauft wurde, ist den Mietern keine neue Bankverbindung mitgeteilt worden. Im Gespräch mit der SZ äußern Bewohner die Befürchtung, der neue Eigentümer suche nach einem Kündigungsgrund, um das Haus für die Sanierung leer zu bekommen, und die nicht gezahlte Miete könnte so ein Grund sein.

Kein Konto für die Miete

Die Ängste seien unbegründet, sagt ein Vertreter von „Creo 7“. Das Unternehmen mit Sitz in Schönefeld nahe der A 113 wird laut Unternehmensregister von einem Berliner, einem Luxemburger und einem Londoner geführt. Die Mieter würden bald einen Brief mit der neuen Kontoverbindung erhalten, heißt es. Man brauche etwas Zeit, um die Mieterkonten ins Abrechnungssystem einzuspielen. Außerdem soll eine Hausverwaltungsgesellschaft gegründet werden, die sich zum Beispiel um die Gebäudereinigung kümmert. Die Zusammenarbeit mit der alten Verwaltung war beendet worden. Zwischenzeitlich wurde eine neue engagiert. Auch dieser soll gekündigt worden sein.

An der Sanierung halte der neuen Eigentümer fest, sagt der Firmenvertreter. Die Pläne bezeichnet er als „brandaktuell“. Eine unglückliche Wortwahl angesichts der Brandschutzmängel. Vor wenigen Wochen war den Mietern ab dem fünften Geschoss mitgeteilt worden, sie müssten in die Etagen zwei bis vier ziehen, damit Mitte/Ende August mit der Sanierung begonnen werden könne. Angekündigt wurde im Auftrag des Eigentümers eine dreijährige Bauzeit, in der die Bewohner mehrfach „umgesetzt“ werden müssten. Es werde zu nicht unerheblichen Beeinträchtigungen kommen, hieß es in einem Schreiben.

In der elften Etage werkeln Bauarbeiter seit etwa vier Monaten an einer Musterwohnung. Der Baustaub, den sie verursachen, hat sich inzwischen auf die Treppenstufen bis ins Erdgeschoss gelegt. Nur die Stufenmitten wurden etwas sauber gefegt.

Tatsächlich hat das Bauaufsichtsamt der Stadt schwere Brandschutzmängel festgestellt und sowohl den alten, als auch den neuen Eigentümer aufgefordert, diese zu beheben. In einem Schreiben der Behörde, das der SZ vorliegt, ist sogar von einer „beabsichtigten Nutzungsuntersagung“ die Rede, also der kompletten Räumung des Hochhauses. Die Bauaufsicht findet ebenfalls, dass sie die Umsetzung der Mieter innerhalb des Hauses ungeeignet sei, um ein ausreichendes Sicherheitsniveau zu erzielen. Auch die Ankündigung, im August bauen zu wollen, stößt in dem Brief auf Unverständnis, da offenbar keine Baugenehmigung vorliegt. Diese sei jedoch nötig, um die brandschutztechnischen Arbeiten durchführen zu können. Außerdem sei eine einfache Modernisierung des Hauses für eine künftige Nutzung keinesfalls ausreichend, so die Einschätzung.

Die Mieter wollen bleiben

Auf Nachfrage bestätigt Baubürgermeister Raoul Schmidt-Lamontain (Grüne), dass keine Baugenehmigung vorliegt. Zwar ist eine beantragt worden, um den Brandschutz zu erneuern. Genehmigungsfähig war sie aus Sicht der Stadt aber nicht. Inzwischen befasse sich nicht nur die Bauaufsicht mit dem Gebäude, so Schmidt-Lamontain. Auch das Stadtplanungsamt stehe in Kontakt mit dem neuen Eigentümer. Man beschäftige sich intensiv mit der Frage, welche Maßnahmen zu treffen sind, um die Mängel zu beseitigen, und wie eine bauliche Lösung für das markante Haus am Pirnaischen Platz aussehen kann.

Rund 40 Wohnungen sollen noch belegt sein. Auf den restlichen Türen prangt der Buchstabe „L“ für leer. Auch wenn viele Dresdner das Gebäude, das 1966 eröffnet wurde, abschätzig als „Assi-Hochhaus“ bezeichnen. Im Haus wird dieser Beiname gar nicht gern gehört. Man habe es sich schön gemacht, ist zu hören. Außerdem leben in den Wohnungen auch pflegebedürftige Rentner, für die ein Umzug nicht infrage käme. Die Botschaft: Wir wollen hierbleiben und dafür auch zahlen.