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Der Binnenmarkt floriert

Noch immer sind polnische Kunden wichtig für den Görlitzer Handel. Sie suchen hier vor allem Qualität.

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© Pawel Sosnowski/80studio.net

Von Frank Seibel und Katarzyna Wilk-Sosnowska

Es muss nicht plakativ sein. Vor Jahren gab es noch die stolzen Schildchen an Görlitzer Ladentüren: Mówimy po polsku – Wir sprechen polnisch ... Solche Einladungen sind selten geworden. Denn vieles ist längst selbstverständlich. Anfangs mussten deutsche Verkäufer und Verkäuferinnen noch mühsam selbst ein bisschen Polnisch lernen, heute ergibt es sich ganz von selbst, dass polnische Kunden auf der Berliner Straße (und drumherum) in ihrer Muttersprache bedient werden.

Maja Klinger ist ein schönes Beispiel dafür. Die gelernte Krankenschwester ist nach vielen Jahren im Rhein-Main-Gebiet wieder in die deutsch-polnische Grenzregion gezogen. Seit acht Jahren lebt sie in Görlitz, seit vier Jahren arbeitet sie in der Engbers-Filiale und verkauft Herrenmode. Ihr Deutsch ist perfekt, und erst beim zweiten Hinhören ist ihr Akzent zu erkennen. Aber sie hat natürlich eine Antenne für polnische Kunden, und sie macht damit gute Erfahrungen. „Die Menschen freuen sich natürlich, wenn sie in ihrer Muttersprache begrüßt und beraten werden“, sagt Maja Klinger. Bei einer großen Handelsstudie der Industrie- und Handelskammer (IHK) aus dem Jahr 2012 hatten viele polnische Kunden noch bemängelt, dass es sprachlich wenig Entgegenkommen in Görlitzer Geschäften gab.

Vordergründige Werbung in Richtung polnischer Kunden macht die Engbers-Filiale nicht. Auch bei H & M arbeiten mittlerweile polnische Verkäuferinnen. Allerdings ist das auch hier nicht das Ergebnis einer gezielten Strategie. Es arbeiten generell viele Polen in Görlitz. Polnische Kunden sind für H & M noch immer eine wichtige Gruppe. Und das, obwohl es auch in Zgorzelec eine Filiale des schwedischen Modehauses gibt. Überraschenderweise sind hier viele Kleidungsstücke sogar billiger als im Plaza-Center. Das Geschäft auf der Berliner Straße bietet für polnische Kunden einen unaufdringlichen, aber wichtigen Service an: Alle Waren sind auch auf Polnisch beschriftet. Generell stehen Textilien auf dem Einkaufszettel polnischer Kunden in Görlitz ganz oben. Rund jeder vierte gab bei der Befragung der IHK an, hier Kleidung zu kaufen. Was sich in den vergangenen fünf Jahren geändert hat, will die IHK im kommenden Jahr erforschen. Direkt nach der Mode folgten auf der polnischen Einkaufsliste vor fünf Jahren Drogerieartikel (23 Prozent), Lebensmittel (19 Prozent) und Schuhe (15 Prozent).

Das Interesse der Görlitzer beim Einkauf in Zgorzelec ist dagegen ganz anders gelagert. Mehr als 37 Prozent gaben in der IHK-Umfrage an, dass sie in Zgorzelec vor allem Lebensmittel einkaufen. Drogerieartikel (13) und Bekleidung (11,5) folgen mit deutlichem Abstand. Interessant auch die unterschiedliche Erwartung von polnischen und deutschen Kunden im jeweiligen Nachbarland. Deutsche fahren nach Zgorzelec vor allem, weil es dort billiger ist – ein Drittel nannte dies als wichtigsten Grund. 18 Prozent nennen die gute Qualität der Waren. Umgekehrt ist die gute Qualität für ein Drittel der Polen ein wichtiger Grund, in Görlitz einzukaufen; immerhin 23 Prozent nennen auch günstige Preise. Händler in Zgorzelec beobachten seit einiger Zeit deutlich mehr deutsche Kunden. Das dürfte nicht zuletzt mit dem für Deutsche sehr günstigen Umtauschkurs zusammenhängen. Für einen Euro bekommt man zurzeit 4,44 Zloty. In den vergangenen Jahren waren Werte deutlich unter der
4-Zloty-Marke üblich. So meldet der Supermarkt „Carrefour“ einen Anstieg deutscher Kundenzahlen und nennt den Wechselkurs als einen Grund dafür. Aber auch kleine Anbieter sind bei Görlitzern beliebt. So freut sich der Geschäftsführer des „Kleinen Marktes“ – vergleichbar dem Görlitzer Wochenmarkt – über viele deutsche Stammkunden. „Sie kaufen bei uns vor allem Obst und Gemüse, weil es hier billiger ist als in Görlitz.“ Aber auch für den Weihnachtseinkauf ist Zgorzelec bei Görlitzern beliebt, sagen Beobachter aus der Nachbarstadt. Spielzeug, Weihnachtsschmuck und andere (vor)weihnachtliche Produkte stehen hoch im Kurs – bei gutem Umtauschkurs.

Kauf Lokal ist eine Initiative, mit der die SZ den Wandel im Einzelhandel publizistisch konstruktiv begleitet, um unsere Innenstädte zu beleben.