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Der berühmte Kumpel am Steuer

Ein wegen Trunkenheit im Straßenverkehr angeklagter Priestewitzer will gar nicht selbst gefahren sein – aber das Gericht glaubt seine Story nicht.

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© Symbolbild/dpa

Von Manfred Müller

Riesa. Verkehrsdelikte unter Alkoholeinfluss sind ein weites Feld. Da als Konsequenz der Entzug des Führerscheins droht, lassen sich die Verursacher oft die fantasievollsten Geschichten einfallen, um der Strafe zu entgehen. Polizisten können ein Lied davon singen: Wird jemand nicht auf frischer Tat ertappt, oder gibt es keine Zeugen zum Unfallhergang, behauptet der Fahrzeugführer gern, er habe gar nicht selbst am Steuer gesessen. Irgendein Kumpel halt, dessen Namen der Delinquent natürlich nicht nennen will. So auch ein 37-Jähriger, der in einer Februarnacht auf der B 101 bei Wantewitz mit seinem VW Golf im Straßengraben gelandet war. Am vergangenen Freitag musste er sich trotzdem wegen Trunkenheit im Straßenverkehr vorm Riesaer Amtsgericht verantworten.

Junger Mann wollte helfen

Da der Angeklagte von seinem Schweigerecht Gebrauch macht, muss sich Richterin Ingeborg Schäfer über die Aussagen der Polizisten, die den Unfall aufnahmen und den Angeklagten zur Blutentnahme ins Krankenhaus fuhren, ein Bild machen. Den Unfallhergang selbst hatte niemand beobachtet, aber etwas später fuhr ein junger Mann vorbei, der das Unfallfahrzeug hinter einer Kurve im Straßengraben stehen sah.

Er sei ausgestiegen, um zu schauen, ob der Fahrer verletzt sei, erklärt der Zeuge. Dieser habe hinterm Steuer gesessen und ihm mit Gesten bedeutet, dass er keine Hilfe brauche. Dann versuchte er, sein Auto aus dem Graben zu bekommen, aber das steckte hoffnungslos fest. Der Zeuge rief trotzdem die Polizei. Als diese am Unfallort eintraf, stand bereits ein Traktor dort, der den Golf aus dem Graben zu ziehen versuchte.

Die Polizisten bedeuteten den beiden Traktor-Insassen, ihre Bemühungen einzustellen, und fragten den Golf-Besitzer nach dem Unfallhergang. Dabei stellten sie fest, dass der eine „Fahne“ hatte und machten einen Alkomat-Test. Der ergab 0,96 Promille, sodass sie einen zweiten Streifenwagen riefen, der den Fahrer zur Blutentnahme ins Meißener Krankenhaus bringen sollte. Dort wurden dann sogar 2,07 Promille gemessen.

Allerdings hatte der Mann zuvor behauptet, er sei gar nicht mit seinem Auto gefahren, sondern ein Freund namens Sebastian. Wer dieser Sebastian sei, fragten die Polizeibeamten allerdings vergebens. Stattdessen reagierte der Mann zunehmend aggressiv. Ob sie nichts anderes zu tun hätten? Sie sollten sich mal lieber um die kriminellen Ausländer kümmern, und so weiter. Auf der Fahrt nach Meißen steigerte sich die Aggressivität weiter, und die Beamten wurden nach übereinstimmender Aussage als „Arschlöcher“ und „Wichser“ beschimpft.

Auch noch Beleidigungsanklage

Das brachte dem Angeklagten auch noch den Vorwurf der Beleidigung ein. Im Krankenhaus selbst setzte er sich gegen die Blutentnahme auch körperlich zu Wehr und musste von den Polizisten und einem Pfleger fixiert werden. Das habe er nur getan, weil er die Spritze nicht im Sitzen, sondern im Liegen eingestochen haben wollte, beginnt der Delinquent plötzlich zu sprechen. Und das hätten die Polizisten abgelehnt. Wie dem auch sei, der Alkoholgenuss ist nachgewiesen, und die Story mit dem Kumpel erscheint dem Gericht wenig glaubhaft. Zumal dieser von keinem der Zeugen gesehen wurde und weil die Polizei außerdem einen Rucksack auf dem Beifahrersitz gefunden hatte.

Dort konnte der Angeklagte, wenn er denn nicht selbst gefahren wäre, auch nicht gesessen haben. Aus der Summe der Indizien und Zeugenaussagen schließt Richterin Ingeborg Schäfer, dass der Priestewitzer den Golf sehr wohl selbst gefahren ist. Dass er sich überdies der Beleidigung schuldig gemacht hat, streitet nicht einmal sein Anwalt ab. Die Konsequenz: 750 Euro Geldstrafe und sechs Monate Führerscheinentzug. Letzterer wird dem Alkoholsünder wohl am meisten wehtun, da er als Klein-Unternehmer auf einen fahrbaren Untersatz angewiesen sein dürfte.