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Der Bahnlärm wird gemessen

Eine Woche lang stehen zwei Mikrofone im Großenhainer Stadtteil Zschieschen an den Gleisen.Sie sollen beweisen, was die Anwohner spüren: Dass es oft zu laut ist.

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Von Kathrin Krüger-Mlaouhia

Die Großenhainer muss das Landesamt für Umwelt und Geologie nicht mehr gegen zu viele Geräusche sensibilisieren. Während das Amt für den „Tag gegen Lärm“ morgen ein Bürgertelefon eingerichtet hat, wo Menschen Rat und Hilfe zum Lärmschutz finden sollen, ist die Stadt bereits aktiv geworden: Seit fast einer Woche stehen in zwei Grundstücken an der Bahntrasse in Zschieschen Messgeräte einer Chemnitzer Spezialfirma. Sie sollen den Lärmpegel einfangen – vorrangig nachts. „Die Bahngeräusche belasten uns häufig, noch mehr, seit das Gleisbett neu gebaut wurde“, sagt Anwohnerin Karla Schulz. Die Güterzüge rasseln, vor allem, weil die Trasse hier eine Kurve macht.

Deshalb haben sich die Zschie-schener gleich nach den Anwohnerprotesten in Coswig im vorigen Jahr ebenfalls gerührt. Stadtrat Harald Kühne, der in Zschieschen wohnt, und Anwohner Mirko Roch machten sich zu den Vorreitern. Ende Januar hatte es eine Bürgerversammlung gegeben, bei der klar gesagt wurde: Schon jetzt ist der Lärm zu groß. Objektive Messungen sollten das bestätigen. Die Stadtverwaltung beauftragte daraufhin die Chemnitzer Firma.

Heute wird es wieder abgebaut

Heute werden die etwa fünf Meter hohen Ständer wieder abgebaut. Rund um die Uhr haben sie mit Richtmikrofon den Geräuschpegel an der Bahntrasse gemessen. Doch die Auswertung wird dauern. „Auf jeden Fall werden wir die Ergebnisse wieder öffentlich auswerten“, sagt Stadtrat Harald Kühne.Laut Weltgesundheitsorganisation ist ein Lärm tagsüber von mehr als 65 Dezibel und nachts von mehr als 55 Dezibel gesundheitsschädigend. „Die Bahn darf aber noch mal zehn Dezibel drauflegen“, sagt Clemens Münzberg von der Bürgerinitiative Bahnemission Elbtal aus Coswig. Sollten aber Werte von 85 Dezibel herauskommen, könne man gegen die Bahn vorgehen, dann sei das Planfeststellungsverfahren der Strecke nicht sachgerecht ausgeführt worden. Die Coswiger selbst warten noch auf eine Analyse, wie sie jetzt in Großenhain lief. „Im Mai wird das Landesamt für Umwelt und Geologie dort messen“, sagte Sprecherin Karin Bernhardt gestern der SZ. In einem Vorbereitungskreis arbeite auch die Bürgerinitiative mit. Verantwortlich sei aber die Kommune.

Keine kurzfristige Verbesserung

Die Zschieschener sind zufrieden, dass ihre Messung zustande gekommen ist. Für sie ist ein Teilerfolg erreicht. „Es zeigt sich allerdings schon jetzt, dass es sehr schwer wird, gegen die Bahn kurzfristig etwas zu unternehmen“, gibt Harald Kühne zu bedenken. Der Stadtrat warnt vor zu hohen Erwartungen. „Für die langfristige Perspektive, also für den Zeitraum, wo die Bahn dann die Schnellstrecke konkret ausbaut, sind die Messergebnisse für die Stadt als Grundlage für die Verhandlungen sehr wichtig“, heißt es in einem Infobrief. Seit diesem Jahr werden die Zschieschener auf diese Weise über die aktuellen Ergebnisse unterrichtet.

Emission: Impossible?

Rein praktisch können sich Betroffene am Mittwoch auch direkt beim Bürgertelefon über akute Belastung durch Zug- oder anderen Lärm beschweren bzw. informieren. „Die Folgen einer dauerhaften Einwirkung von Lärm können Stress, mangelnde Konzentrationsfähigkeit, gestörtes Wohlbefinden, verringerte Lernleistung bei Kindern sowie ein erhöhtes Risiko für Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sein“, argumentiert das veranstaltende Landesamt. Am Telefon sei am Mittwochnachmittag ein Fachmann, der auch Probleme aufnimmt und weiterleitet. „Anlass ist der bundesweite Tag gegen Lärm. Er findet bereits zum 15. Mal statt und steht in diesem Jahr unter dem Motto Emission: Impossible“, so Sprecherin Bernhardt.

Ob die markige Kampagne tatsächlich hilft, bleibt abzuwarten. In Coswig hat sich mittlerweile schon viel Skepsis breitgemacht. Bis zu 100 Bahnen donnern dort täglich durch die Stadt – viel mehr als in Zschieschen. Vor allem die Güterzüge verursachen erhebliche Geräusche. Eine von der Bürgerinitiative Bahnemission Elbtal e.V. geforderte Geschwindigkeitsreduzierung in den Nachtstunden ist bis jetzt nicht umgesetzt. „Wenn die Züge langsamer fahren, wäre das das einfachste Mittel, um den Bahnlärm um die Hälfte zu mindern“, sagt Coswigs Oberbürgermeister Frank Neupold (parteilos).

Doch offensichtlich ist das kaum durchzusetzen. „Wir fordern, dass die Bahn ihre Verantwortung wahrnimmt. Wenn die Gesetze so sind, dass die Bahn es nicht zwingend muss, dann muss die Bundesregierung dafür Sorge tragen, dass wir vom Lärmschutzprogramm Mittel bekommen“, bleibt Neupold dran.