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Der Auto-Kuckuck lebt noch

65 Fahrzeuge hat das Ordnungsamt voriges Jahr mittels Aufkleber von den Görlitzer Straßen verbannt. Tendenz: steigend.

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© Pawel Sosnowski/80studio.net

Von Ingo Kramer

Anfang der 1990er Jahre „lebte“ er in beinahe jeder Görlitzer Straße: Der sogenannte Auto-Kuckuck. Wer ihm diesen Spitznamen gegeben hat, ist nicht überliefert, seine Botschaft aber bis heute eindeutig. Mit dem kreisrunden, orangefarbenen Aufkleber fordert das Ordnungsamt Autobesitzer auf, ihre Fahrzeuge unverzüglich aus dem öffentlichen Raum zu entfernen.

„Den Aufkleber erhalten Fahrzeuge, die nicht für den Verkehr zugelassen sind“, erklärt Tom Jähne vom Ordnungsamt. Das sind die, die ganz ohne Kennzeichen oder mit entstempelten Kennzeichen abgestellt wurden, aber auch Autos, die offensichtlich nicht mehr fahrtüchtig sind. Rechtsgrundlage ist das Sächsische Straßengesetz. Da nicht zugelassene Fahrzeuge nicht den gesetzlichen Vorschriften entsprechen, nehmen sie die Straße übermäßig in Anspruch. Das sei eine Sondernutzung, die eine Erlaubnis braucht, erklärt Jähne. Eine solche Erlaubnis liegt meist nicht vor. So wird die Straße unerlaubt genutzt.

Die Fahrzeughalter werden mit dem Aufkleber und – wenn möglich – auch noch per Brief über ihre Pflicht informiert. „Wer dieser Aufforderung nicht nachkommt, dessen Fahrzeug wird von der Holtendorfer Firma Dussa kostenpflichtig abgeschleppt“, erläutert Jähne.

Das Ordnungsamt hat dazu eine langjährige Statistik. Wurden in den 1990er Jahren noch Hunderte Kuckucks pro Jahr geklebt, so ging die Zahl dann kontinuierlich zurück und erreichte im Jahr 2008 mit nur noch 32 Autos ihren Tiefststand. Seither aber steigt sie wieder deutlich an – auf immerhin 72 (2013) beziehungsweise 65 (2014). Ähnlich sieht es aus mit der Zahl der Autos, die die Stadt hat abschleppen lassen, weil es die Besitzer nicht getan haben. Die Zahl fiel von 32 im Jahr 1997 auf nur noch drei (2009 und 2012). Voriges Jahr waren es dann wieder sechs Autos.

Eines davon wird Jähne wohl noch länger in Erinnerung bleiben: Ein VW Golf VI, abgestellt Ende des Jahres vor der Jägerkaserne. „Wir gehen dort von einem Fahrzeugwert von 5 000 bis 6 000 Euro aus“, sagt er. Die meisten anderen Kuckuck-Autos hingegen sind überhaupt nichts mehr wert. Nur: Bei dem Golf gelang es nicht, die in der Langenstraße gemeldete Besitzerin zu finden. Die Stadt ließ das Auto abschleppen und dann stand es bei Dussa – verschlossen und deshalb im Wert schlecht schätzbar. Verschrotten kam diesmal nicht infrage. Also wollte es die Stadt ohne Begutachtung verkaufen. Der Käufer hätte sich dann um Ersatzpapiere und -schlüssel selbst kümmern müssen. „Er hätte gewissermaßen die Katze im Sack gekauft“, so Jähne. Vorige Woche ist die verschollene Frau dann plötzlich wieder aufgetaucht – und die VW-Bank hat einen Herausgabeanspruch geltend gemacht. Sie muss nun entscheiden, wie es weitergeht. „So etwas ist aber die absolute Ausnahme“, sagt er.

Die Kuckuck-Fahrzeuge reißen kein großes Loch in die Stadtkasse. Räumen die Besitzer ihre Autos selbst weg, dann sowieso nicht. Und wenn nicht, fallen Kosten von etwa 200 Euro pro Auto an. Eine exakte Statistik, wie viele Besitzer nicht zahlen, führt die Stadt nicht. „Man kann aber sagen, dass der Großteil der Kostenbescheide gezahlt wird oder bei Nichtzahlung durch die städtische Vollstreckungsbehörde eingetrieben wird“, erklärt Stadtsprecherin Sylvia Otto. Nur in wenigen Fällen werden die Forderungen der Stadt nicht erfüllt.