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Der ältere Bruder des Polizeireviers

Nach langem Leerstand geht es in der Villa an der Klosterstraße voran. Die geplante Nutzung gefällt nicht jedem.

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© Sebastian Schultz

Von Christoph Scharf

Riesa. Beim Blick auf die Fassaden ist es nicht zu übersehen: Die vor der Sanierung stehende Villa zwischen Rathaus und Polizeirevier ist quasi der kleinere Bruder des Reviers. Allerdings der ältere: Die Villa wurde 1889 im Stil des Historismus errichtet – und damit rund zehn Jahre vor dem Nachbarn, der als Amtsgericht gebaut wurde. Bei beiden Häusern fallen Klinkerfassade und Sandstein-Elemente auf – kein Wunder, dass beide unter Denkmalschutz stehen. „Das Erscheinungsbild der Villa wird typgerecht ergänzt durch den Vorgarten und die anspruchsvolle Einfriedung nach den Straßenseiten zu“, sagt Antje Hainz von der Unteren Denkmalschutzbehörde.

Eindeutig: Über das Baujahr der Villa muss man nicht lange rätseln.
Eindeutig: Über das Baujahr der Villa muss man nicht lange rätseln. © Sebastian Schultz
Symbolisch: Zeichen der Ärzteschaft ist eine Schlange, die sich um einen Stab ringelt. Dieser Fassadenschmuck dürfte eine Variation davon sein.
Symbolisch: Zeichen der Ärzteschaft ist eine Schlange, die sich um einen Stab ringelt. Dieser Fassadenschmuck dürfte eine Variation davon sein. © Sebastian Schultz

Errichtet wurde die Villa wohl als herrschaftliches Wohnhaus für eine Arztfamilie. Später dürfte manch Riesaer vor dem Eingang weiche Knie bekommen haben – residierte drinnen doch das Wehrkreiskommando der NVA. Ignorierte man seinerzeit die schmucklosen Vordrucke, die einem vor dem 18. Geburtstag in den Briefkasten flatterten, konnte einen die Volkspolizei „zuführen“, wie es damals hieß.

Auch die Polizei selbst nutzte die Villa. „Als ich 1993 nach Riesa kam, saß dort der Leiter der Polizeidirektion Riesa und sein Führungsstab“, erinnert sich Revierleiter Hermann Braunger. Auch die Personalabteilung, die Verwaltung, der Pressesprecher nutzten dort Räume. Aus der Zeit dürften die schusssicheren Scheiben stammen, über die sich der heutige Hausbesitzer Torsten Kettel gewundert hat.

Nicht nur die Fenster wurden ausgetauscht: Auch im Inneren gab es mehrfach Umbauten, teilt die Denkmalschutzbehörde mit. Das repräsentative Treppenhaus habe aber sein Erscheinungsbild bewahren können, sagt Antje Hainz. „Die historische Substanz der Holzbalkendecken und Innenwände ist ebenfalls weitgehend erhalten – jedoch unter jüngeren Bauschichten verdeckt.“ Der geplante Umbau für eine exklusive Wohnbebauung in WG-Charakter (SZ berichtete) soll diese Bestandteile des Denkmals berücksichtigen. Der Eigentümer hatte bereits die Zusammenarbeit mit dem Denkmalschutz gelobt.

Die Behörde ist auch mit dem Anbau eines Aufzugs einverstanden. „Wenn eine funktionell erforderliche Ergänzung Substanz und Erscheinungsbild des Denkmals nicht beeinträchtigt, dann kann sie denkmalschutzrechtlich genehmigungsfähig sein“, sagt Antje Hainz. Allerdings müsse man so etwas im Einzelfall prüfen. An der Klosterstraße habe man sich darauf geeinigt, den Aufzug abseits des öffentlich einsehbaren Bereiches anzuordnen, ihn bewusst vom Gebäude „abzurücken“ und möglichst wenig ins Denkmal einzugreifen. „Unsere Erfahrungen belegen, dass mit aufgeschlossenen Bauherren und einer frühzeitigen Einbindung der Denkmalbehörde Kollisionen bereits in der Planungsphase vermieden werden können.“

Im Internet hat sich unterdessen eine Diskussion um die Pläne für die Villa entwickelt. Mehrere Facebook-Nutzer monieren, dass damit in Riesa nur wieder mehr Wohnraum für Senioren geschaffen würde – nicht für junge Leute. Kerstin Gothe schreibt, dass in Riesa viele Vier-Raum-Wohnungen fehlen würden, sowohl im niedrigen als auch im hohen Preissegment. Den Wunsch einer anderen Nutzerin, günstige Eigentumswohnungen in der Villa zu schaffen, sieht Richard A. Seemann kritisch. „Denkmalgeschützter Altbau und preiswerte Eigentumswohnung, das geht nicht zusammen.“ Heike Thieme fasst sich zum von Kettel geplanten Vorhaben kurz: „Ich finde die Idee super.“