Merken

Den Engeln ganz nah

In der Glashütter St.-Wolfgang-Kirche wird die Kassettendecke saniert. Viel länger hätte man nicht warten dürfen.

Teilen
Folgen
NEU!
© Egbert Kamprath

Von Maik Brückner

Glashütte. Eine Putte und ein Söldner mit Lanze schauen von der Decke auf Elke Schirmer. Beide sind gut zu erkennen. Dennoch fallen die Lücken im Bild auf. „Das sind Fehlstellen, die ich jetzt retuschiere“, sagt die Dipolm-Restauratorin. Dazu steigt sie auf einen Hocker, nimmt einen Malstock und einen Pinsel in die Hand. Auf den Malstock, den sie mit der linken Hand auf die Decke drückt, legt sie später den anderen Arm. Ihre rechte Hand hat nun einen guten Halt, um den Pinsel sicher zu führen.

Die St.-Wolfgang-Kirche ist nicht wiederzuerkennen. Seit dem Herbst steht hier ein in 2000 Kubikmeter großes Gerüst.
Die St.-Wolfgang-Kirche ist nicht wiederzuerkennen. Seit dem Herbst steht hier ein in 2000 Kubikmeter großes Gerüst. © Egbert Kamprath
So nah wird man allen Engeln an der Kassettendecke in der Kirche so schnell nicht mehr kommen.
So nah wird man allen Engeln an der Kassettendecke in der Kirche so schnell nicht mehr kommen. © Egbert Kamprath

Nun beginnt sie, die blasse Stelle vorsichtig auszumalen. Die frische Farbe passt perfekt zur alten. „Die habe ich mir hier vor Ort zusammengemischt. Das geht schnell“, sagt die Restauratorin, die schon an der Sanierung der George-Bähr-Kirche in Schmiedeberg mitgewirkt hat und reichlich Erfahrung auf dem Gebiet der Kirchensanierungen mitbringt. Nun steht sie unter dem Dach der Glashütter St.-Wolfgang-Kirche und restauriert zusammen mit Oliver Ander, Claudia Herrmann und Dirk Zacherias die Holzkassettendecke über dem Kirchenschiff und über dem Altar.

„Es war höchste Zeit, dass hier etwas passiert“, sagt Sigrun Neidhold. Sie arbeitet als Baupflegerin im Evangelisch-Lutherischen Kirchenbezirk Freiberg und kümmert sich um die Sanierung der Kirchen in der Region. Unter ihrer Regie wurde das prächtige Glashütter Gotteshaus zwischen 2008 und 2010 aufwendig saniert – damals allerdings „nur“ außen. „Für die Deckensanierung fehlte das Geld“, sagt sie. Zusammen mit dem Kirchspiel Glashütte hat sie sich seither bemüht, das zusammenzubekommen. 2015 war es dann soweit. „Mit Unterstützung des Bundestagsabgeordneten Klaus Brähmig ist es uns gelungen, eine Förderung vom Bund zu erhalten“, sagt sie. Dank dieses Zuschusses konnte die notwendige Summe aufgebracht werden.

Damit die Experten die Decke in Ruhe und sorgfältig restaurieren können, stellte die Firma Hein aus Goldbach im Herbst 2015 ein 2 000 Kubikmeter großes Gerüst in das Hauptschiff und in den Altarraum. Es endet etwa zwei Meter unter der 1616 eingebauten Kassettendecke, die zuletzt 1890 restauriert wurde. Diesen Zustand wollen die Restauratoren nun wiederherstellen. Anderes macht auch wenig Sinn. Bei Untersuchungen wurden nur wenige Hinweise auf die früheren Motive gefunden, sagt Elke Schirmer und zeigt auf zwei kleine, etwas dunklere Stellen auf einem der Kassettenbilder. Hier sind zwar alte Farbschichten zu erahnen, das ursprüngliche Bild erkennt der Betrachter mit dem bloßen Auge jedoch nicht. Deshalb gilt die Bemalung von 1890 als Vorbild.

In den ersten Monaten haben die Restauratoren gerettet, was zu retten ist. „Die alte Farbe hatte sich an vielen Stellen pulverisiert“, erzählt die Restauratorin. Das ursprünglich eingesetzte Lösungsmittel hatte sich aufgelöst. Um die Farbreste wieder fester mit dem Holz zu verbinden, hat sie Spezialklebstoff aufgesprüht. Die größeren losen Farbschichten wurden angeklebt. An anderen Stellen sah man deutlich, dass das Dach undicht war. Braune Flecken zogen sich über mehrere Kassettenbilder, auf denen oft musizierende Engel abgebildet sind. Um die Flecken von den Bildern zu entfernten, haben die Restauratoren dort Spezialpapier geklebt. Dieses „saugt“ die braune Farbe aus. „An jeder Kassette gab es etwas zu tun“, sagt Frau Schirmer. Selbst an den Kassettenteilen entlang der Südwand, die in den 1960er-Jahren bei einem Regenwassereinbruch beschädigt und danach ausgebessert wurden, gab es Schäden.

Zwischenzeitlich mussten die Restauratoren auch mit Mundschutz arbeiten, berichtet Frau Neidhold. Denn bei einer früheren Sanierung wurden die Holzbalken im Dachsuhl mit einem DDR-Holzschutzmittel gestrichen. Beim Streichen fielen Tropfen von oben auf die Holzdecke und kristallisierten hier aus. Diese Stellen wurden jetzt versiegelt, sagt Frau Neidhold.

Das Retuschieren der Fehlstellen ist der letzte Arbeitsschritt der Restauratoren, um der Decke ihr ursprüngliches Aussehen wiederzugeben. Mirko Danzmann, der für das Kirchspiel Glashütte die Sanierung begleitet und fast jede Woche mal vorbeischaut, ist begeistert. Wenn man den ursprünglichen Zustand genau kennt und jetzt auf die Decke schaue, sehe man den Unterschied deutlich, sagt der Glashütter.

Er hofft, dass die Restauratoren das selbstgesteckte Ziel auch erreichen und bis zum Spätherbst ihre Arbeiten abschließen können. Denn spätestens Weihnachten möchte die Kirchgemeinde in ihrer Kirche wieder Gottesdienst feiern. Der eine oder andere wird dann sicher mit den Augen spazieren gehen und sich an der neuen alten holzgetäfelten Decke erfreuen.