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Dem Teufel von Brockwitz auf der Spur

Immer wieder hat es das Ordnungsamt mit Betrügern zu tun, die in der Stadt ihr Unwesen treiben. Dabei fällt auch ein historisches Ereignis auf.

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© Arvid Müller

Von Ines Scholze-Luft

Coswig. Dem Teufel, der vor 200 Jahren das Dorf Brockwitz unsicher macht, ergeht es nicht gut. Diese Tatsache entlockt Olaf Lier, Ordnungsamtschef von Coswig, ein schmales Lächeln. Wenn sich nur alle Betrugsfälle in der Stadt mit einem solchen Ergebnis klären lassen würden.

Ob es um Kaffeefahrten-Abzocker geht, denen die Coswiger schon auf die Schliche gekommen sind. Oder um unaufgeforderte, dafür umso penetrantere Angebote für Werbeeinträge in Publikationen, von denen betroffene Unternehmer noch nie gehört, geschweige denn sie gesehen haben. Oder um Aktionen – möglicherweise von Hintermännern gesteuert – einiger osteuropäischer Bettler, die vom eingenommenen Geld selbst kaum was haben.

Fürs Ordnungsamt gibt es nichts, was es nicht gibt. Die Coswiger wissen das. Wer Unregelmäßigkeiten entdeckt, wie auch immer geartet, fragt sich schnell zum Amt durch. Dass Olaf Lier gemeinsam mit seinem Team und der Polizei schon viel klären konnte oder zumindest vor Tätern warnen, bestätigt die Arbeit.

Auch nach Feierabend begibt sich Amtsleiter Lier oft auf die Spur ungewöhnlicher Ereignisse, gern im Zusammenhang mit historischen Fakten. So stößt er jüngst im Internet, dank von Google digitalisierter Quellen, auf kriminelle Machenschaften in Brockwitz – vor 200 Jahren noch kein Ortsteil Coswigs, sondern eigenständig. Die „Zeitung für die elegante Welt“ in Berlin berichtet am 22. Februar 1817 unter dem Vermerk Korrespondenz und Notizen aus Dresden, 12. Februar, ganz ernsthaft: In dem Dorfe Brockwitz, auf der Straße von Meißen nach Dresden, ist zu Anfang des Jahres 1817 der Teufel gefangen worden.

Nun schmunzelt Olaf Lier richtig. Die Wortwahl der zwei Jahrhunderte alten Erzählung hat es ihm angetan. Und natürlich die Geschichte selbst, die er gleich mal berichtet. Von der Frau eines nicht unbemittelten Häuslers – Kleinstbauer mit eigenem Haus, aber wenig Grundbesitz –, die eben ein Kind bekommen hat und des Abends auf ihren Mann wartet.

Doch statt des Gatten tritt der Teufel herein, schwarz, mit roten Hörnern, Pferdefüßen und sonstigem Höllen-Kostüm. Er nähert sich der Wöchnerin – der Frau, die gerade entbunden hat –, will Geld oder das Kind. Die so Bedrängte verrät, wo der Schlüssel zum Geld liegt. Und wo es sich befindet – nämlich in der Oberstube.

Während der Gehörnte sich dort ans Zusammenraffen macht, betritt der Landgendarm, der Dorfpolizist, das Haus. Als aufmerksamer Nachbar möchte er zur glücklichen Entbindung gratulieren. Und erfährt sogleich vom Teufel im Obergeschoss, will ihn stellen. Nur rennt der ihn auf der Treppe um. Doch der Uniformierte berappelt sich schnell, erwischt Luzifer noch mit dem Säbel an der Schulter, rast dem Bösen hinterher und sieht ihn verschwinden: Im Haus der Wehmutter – der Hebamme.

Die öffnet nach längerem Klopfen die Tür, erklärt, ihr Mann sei nicht da. Allerdings entdeckt der Gendarm den Teufel unterm Bett. Enttarnt ihn als Ehemann der Hebamme, die bei der Geburt alles ausgekundschaftet und Gelegenheit sowie Mittel zum Teufelsspuk gegeben hat. Genützt hat es ihr und ihrem Mann nicht. Der Polizist nimmt den Teufel gefangen.

„Sonder Zweifel wird der verlarvte Geist nun in ein Zuchthaus wandern“, mutmaßt die Zeitung. Noch nicht klar war da wohl, dass es für den Gehörnten an den Pranger geht. Denn genau dort stand er im März 1817 in Dresden. Das wiederum weiß Christian Carl André’s Hausbuch für Familien zur Hilfe in der Not und Aufheiterung im Kummer von 1818. Hier findet sich fast wortwörtlich die Story vom Brockwitzer Teufel wieder. Die Geschichte kommt noch weiter herum. Schafft es bis ins – im Verlag der J.G. Cotta’schen Buchhandlung in Tübingen erscheinende – Morgenblatt für gebildete Stände vom 17. Mai 1817. Sogar mit konkreter Geldschatz-Angabe: Hundert Taler, gedacht zur Kindstaufe. Der Teufel wird noch unheimlicher dargestellt: Auch mit Klauen, rot vorgestreckter Zunge, gehörigem Schweif. Das Morgenblatt verlagert die Entdeckung Satans auf den nächsten Morgen, als sämtliche Dorfbewohner zusammengerufen werden, der Hebammenmann sich aber angeblich wegen Fieber entschuldigen lässt. Schließlich aber im vollen Teufelsornat an den Pranger muss.

Olaf Lier wäre nicht der akribische Sucher, würde er nicht auch ermitteln, wo sich der Pranger in Dresden denn genau befand. Nach dem Abriss des Rathauses auf dem Altmarkt 1707 ist der Pranger auf den Neumarkt am Gewandhaus gewandert, heißt es auf seine Nachfrage aus dem Dresdner Stadtmuseum.

Ein Pranger müsste es heute nicht unbedingt sein, sagt der Ordnungsamtschef. Aber wirksame Strafen, die auch Hilfe für Täter einschließen, wünscht sich er sich schon. Nicht nur für Rad-Diebe und Graffiti-Schmierer, die ihn gerade besonders beschäftigen.