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Deals mit den Daten der Bürger?

Die Städte im Landkreis Bautzen lehnen einen Verkauf von Informationen ab – doch manchmal haben sie keine Wahl.

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© dpa/Jan-Peter Kasper

Von Jens Fritzsche

Bautzen. Geburtstagswünsche, das neue Auto oder Urlaubsgrüße aus der Ferne – im sozialen Netzwerk Facebook gehen die meisten Nutzer eher locker mit persönlichen Informationen um. Ganz anders reagieren viele Menschen, wenn sie ihre Rechte als Bürger verletzt sehen. Zum Beispiel, wenn es darum geht, dass Städte und Gemeinden Einwohnerdaten weitergeben – und sie sogar verkaufen. Auch im Landkreis Bautzen hat das Thema jetzt Kommunalpolitiker und Bürger aufgeschreckt. Denn – so rauscht es durch den Blätterwald – der Deutsche Städte- und Gemeindebund habe die Kommunen aufgefordert, Einwohnerdaten zu Geld zu machen.

Stimmt so allerdings nicht, sagt Alexander Handschuh. Er ist der Sprecher der Vereinigung und rückt das aus seiner Sicht schiefe Bild gerade: „Es geht nicht um personenbezogene Daten.“ Als Beispiel nennt er die Energiedaten der öffentlichen Gebäude. Nach aktueller Regelung müssen Städte und Gemeinden diese kostenfrei weitergeben – auch wenn der Nutzer damit wirtschaftliche Ziele verfolgt.

Genau darüber will der Städte- und Gemeindebund eine „notwendige Disskussion“ anstoßen. Immerhin wachse der kommunale Datenbestand von Jahr zu Jahr. „Wir sind schon der Meinung, dass die Kommunen selbst entscheiden sollten, ob und an wen sie Daten weitergeben – und zu welchem Preis“, betont Pressesprecher Handschuh.

Rechtsamt sieht die Regelung kritisch

Wogegen können Bürger Widerspruch einlegen?

Widerspruchsrecht: Gemäß Bundesmeldegesetz und der Sächsischen Meldeverordnung können Einwohner gegen die Veröffentlichung oder Übermittlung ihrer Personendaten Einspruch erheben. Die Eintragung dieser sogenannten Übermittlungssperre ist im Einwohnermeldeamt der Städte und Gemeinden möglich – und zudem in jedem Fall gebührenfrei.

Datenübermittlung an Parteien: Parteien und Wählergruppen dürfen im Rahmen von sogenannten Gruppenauskünften Meldedaten anfordern. Dagegen können sich die Bürger wehren.

Datenübermittlung an Adressbuchverlage: Auskünfte über Vor-und Familiennamen, Doktorgrad und Anschriften von Einwohnern, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, dürfen von den Kommunen an Adressbuchverlage übermittelt werden. Auch dagegen gibt es ein Widerspruchsrecht der Einwohner.

Daten an Religionsgemeinschaften: Kirchen dürfen neben den Daten ihrer Mitglieder auch einige Grunddaten von Nichtmitgliedern, die mit einem Kirchenmitglied im selben Familienverband leben, anfordern. Diese Nichtmitglieder können die Einrichtung einer Übermittlungssperre verlangen.

Datenübermittlung an die Bundeswehr: Das Bundesamt für Personalmanagement der Bundeswehr darf bei den Kommunen Daten zu Personen anfordern, die im Folgejahr das 18. Lebensjahr vollenden, um Informationsmaterial über Tätigkeiten in den Streitkräften zu verschicken. Auch hier ist eine Übermittlungssperre möglich.

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Im Moment scheint jedoch im Landkreis Bautzen kaum jemand große Lust auf diese Diskussion zu verspüren. „Der Verkauf von Daten ist keine Aufgabe von Städten und Gemeinden“, ist zum Beispiel Kreissprecher Gernot Schweitzer überzeugt. Aus Sicht des Rechtsamtes des Landkreises werde das Ansinnen sehr kritisch gesehen. Der Kreis denke jedenfalls nicht über einen Verkauf von Daten nach.

Ähnlich sieht man das in den Rathäusern. In Bautzen zum Beispiel wolle man die Weitergabe von Daten „nicht forcieren“, so Stadtsprecher André Wucht.

Auch Bischofswerdas OB Holm Große hat kein Verständnis für derartige Vorschläge – gerade angesichts der Diskussionen um die Zweckentfremdung von Nutzerdaten durch Facebook. „Aus meiner täglichen Arbeit kenne ich die finanziellen Engpässe, die fast alle Kommunen umtreiben, nur zu gut – aber ein Verkauf von Daten an Firmen wird erstens unsere kommunalen Haushalte nicht sanieren und ist zweitens ethisch sehr fragwürdig“, sagt Große. Solange er OB von Bischofswerda sei, werde es keinen Handel mit Daten der Bürger geben. Eine Meinung, die auch die Stadt Radeberg teilt: „Es ist nicht sinnvoll, mit den Daten der Bürger Geld zu verdienen“, unterstreicht Stadtsprecher Jürgen Wähnert.

In bestimmten Fällen zur Weitergabe verpflichtet

Was die Kommunen wollen, ist allerdings nur eine Seite der Medaille. Denn bei bestimmten Daten sind Städte und Gemeinden zur Weitergabe verpflichtet – mitunter auch gegen Geld. Grundlage sind dazu unter anderem das Bundesmeldegesetz und die Sächsische Meldeverordnung. So dürfen beispielsweise Parteien und Wählervereinigungen im Vorfeld von Wahlen Einwohnerdaten anfordern, um gezielt Wahlwerbung zu betreiben.

Auch die Bundeswehr darf nachfragen, welche Einwohner demnächst ihren 18. Geburtstag feiern, um dann werbewirksam Info-Material zu verschicken. Und auch Religionsgemeinschaften dürfen bei den Verwaltungen einige Daten von Nichtmitgliedern erbitten, die mit Kirchenmitgliedern in einer Familie leben. „Allerdings gibt es auch immer die Möglichkeit, dagegen Einspruch zu erheben“, sagt Radebergs Stadtsprecher Jürgen Wähnert. In den Einwohnermeldeämtern können Bürger dafür eine Übermittlungssperre festschreiben lassen – und zwar gebührenfrei.

Zwiespältig fällt das Urteil von Sachsens Datenschutzbeauftragten aus. Wenn es tatsächlich um anonymisierte Informationen gehe, sei das Ganze aus Datenschutzsicht kein Problem, sagt Pressesprecher Andreas Schneider. Dafür stört ihn ein anderer Punkt: Da sowohl die Erfassung der Daten als auch deren Verarbeitung in den Verwaltungen vom Steuerzahler finanziert worden sei, müsse dieser auch von einem Weiterverkauf profitieren – zum Beispiel in Form von Steuersenkungen. „Das sollten Leute, die solche Vorschläge unterbreiten, bitte auch einmal bedenken“, merkt er an.

Immerhin, eine Erhöhung der Einnahmen hatte der Städte- und Gemeindebund bei seinem Vorstoß ja durchaus im Sinn. Aktuell stößt er damit auf wenig Gegenliebe. Doch vom Tisch sein dürfte die Diskussion um den Wert der kommunalen Daten damit sicher noch nicht.