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DDR-Leichenwagen fährt weiter

Ein Sammler aus Riesa macht einen Radeberger Bestatter glücklich. Der hat eine ungewöhnliche Liebe.

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© Thorsten Eckert

Von Jens Fritzsche

Radeberg/Riesa. Diese Liebe mag ein wenig skurril anmuten. Aber wer Jan Tschörtner kennt, weiß: Dieser Mann liebt seinen Beruf! Und sein Beruf ist: Bestatter. Seit gut zehn Jahren leitet er das von seinem Großvater gegründete Radeberger Bestattungshaus Winkler und hat seither eine Menge auf den Weg gebracht. Eine andere Sicht aufs Thema Tod will er vermitteln, das Sterben müsse aus der Tabu-Ecke heraus, findet er. „Es gehört zum Leben!“ Und er will auch die Geschichte erhalten, die Geschichte des hiesigen Bestattungswesens.

Und so hatte der Radeberger vor einigen Jahren eine historische Leichen-Kutsche vor der Verschrottung bewahrt, ließ sie aufwendig sanieren und bietet nun auch Bestattungen an, bei denen die Verstorbenen mit der historischen Kutsche zum Friedhof gebracht werden, „wie es ja im dörflichen Raum auch rund um Radeberg einst Brauch war“.

Nun steht das nächste ungewöhnliche Fahrzeug in der Garage auf dem Firmengelände an der Pulsnitzer Straße. Ein DDR-Leichenwagen der Marke Barkas. „Ein echtes Schmuckstück“, kommt Jan Tschörtner regelrecht ins Schwärmen, wenn er ein wenig stolz auf den „Neuzugang“ schaut. Der dunkelgraue Lack glänzt, das Dach trägt das für Leichenwagen zu DDR-Zeiten typische Weiß. „Ich habe lange gesucht, bis ich endlich einen bekommen habe“, freut sich der Radeberger, dass der Barkas mit dem altbekannten Wartburg-Motor-Klang vor wenigen Wochen auf den Hof rollte.

Baujahr 1970, die Karosserie wurde 1984 komplett erneuert. Hergestellt in Karl-Marx-Stadt – „und alles noch wirklich original“, sagt Jan Tschörtner, steigt ein und lässt den Motor an. „Und es riecht auch noch richtig nach DDR, wenn man vorfährt“, schiebt er mit einem Schmunzeln hinterher. Und spielt auf den typischen Geruch der Zweitakt-Abgase an.

Mit drei Zylindern zur letzten Ruhe

Vor fünf Jahren hatte der Radeberger begonnen, nach einem solchen Barkas zu suchen. „Aber es war aussichtslos“, erinnert er sich. Vor etwa drei Jahren sagte dann ein Bekannter aus Dresden, „dass er auf einem Oldtimer-Markt einen kennengelernt habe, der einen kannte, der wiederum einen kannte …“, beschreibt Jan Tschörtner augenzwinkernd. In Riesa gab es einen Sammler, der alte DDR-Fahrzeuge zusammengetragen hatte. Und dort stand auch ein solcher Leichenwagen.

„Aber er wollte ihn damals nicht verkaufen“, denkt Jan Tschörtner zurück. Also suchte er weiter. Aber ohne Erfolg. Schließlich sollte es ja wirklich ein Original sein. Und das ist selten. Doch der Zufall half nach. „Als der Sammler aus Riesa jetzt seine Sammlung ein wenig verkleinern wollte, erinnerte er sich, dass da jemand aus Radeberg mal vor Jahren Interesse angemeldet hatte“, beschreibt Jan Tschörtner. Und so kam dann über den schon erwähnten Bekannten aus Dresden doch noch der Kontakt zustande, „und wir wurden uns einig“.

Nun steht der besondere Barkas in Radeberg. „Wenn Kunden Interesse haben, dann biete ich dieses Fahrzeug zum Transport an –  ansonsten bin ich einfach froh, dass ich wieder ein Stück regionaler Geschichte meines Berufs bewahren konnte“, sagt der Bestattungshaus-Chef. Und er weiß auch, dass manche seine Liebe zu diesen Fahrzeugen ein wenig komisch finden werden. „Aber sie gehören zu unserer Geschichte einfach dazu“, bleibt er gelassen.