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Zeitungskrise? Die Verleihung des deutschen Lokaljournalistenpreises in Dresden zeigt, was auf Papier möglich ist.

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© momentphoto.de/bonss

Von Peter Ufer

Hell leuchtet in Röhren „Kunst der Gegenwart“ an der einen Wand im Lichthof des Dresdner Albertinums. An der anderen Seite steht: „Neue Meister“. Überschrift und Unterzeile für Journalistinnen und Journalisten, die sich an diesem Tag ausgezeichnet fühlen dürfen. Sie bekommen Preise, den Deutschen Lokaljournalisten-Preis der Konrad-Adenauer-Stiftung, „was für die Zeitungsbranche so etwas ist wie der Oscar für die Filmwelt“.

Frische Ideen für eine interessante Zeitung – da war für Jung und Alt was dabei.
Frische Ideen für eine interessante Zeitung – da war für Jung und Alt was dabei. © kairospress
DD+V-Geschäftsführer Carsten Dietmann gratulierte allen Preisträgern.
DD+V-Geschäftsführer Carsten Dietmann gratulierte allen Preisträgern. © Ronald Bonß
Kleine Truppe, große Leistung: Die komplette Redaktion des Prignitzers.
Kleine Truppe, große Leistung: Die komplette Redaktion des Prignitzers. © kairospress
Jury-Sprecher Dieter Golombek bei der Verleihung des Lokaljournalistenpreises.
Jury-Sprecher Dieter Golombek bei der Verleihung des Lokaljournalistenpreises. © Ronald Bonß
Der Festsaal im Albertinum war gestern gut gefüllt zur Preisverleihung.
Der Festsaal im Albertinum war gestern gut gefüllt zur Preisverleihung. © kairospress
Sängerin Maria Markesini beeindruckte das Festpublikum mit ihrer Stimme und am Klavier. Zusammen mit den Klazzbrothers – einer Dresdner Jazz- und Classic-Band – interpretierte sie Songs von Bob Dylan und Kurt Weill.
Sängerin Maria Markesini beeindruckte das Festpublikum mit ihrer Stimme und am Klavier. Zusammen mit den Klazzbrothers – einer Dresdner Jazz- und Classic-Band – interpretierte sie Songs von Bob Dylan und Kurt Weill. © kairospress
Der 1. Preis für den Familienkompass der Sächsischen Zeitung mit insgesamt 400 Artikeln.
Der 1. Preis für den Familienkompass der Sächsischen Zeitung mit insgesamt 400 Artikeln.

Das ist ein Zitat, denn Selbstlob duftet unangenehm. Der Sprecher der Jury, Dieter Golombek, der die Ehrung vor 34 Jahren erfand, ist jedoch weit davon entfernt, zu küren, was nur heiße Luft wäre. 568 Bewerber aus ganz Deutschland mussten sich mit ihren eingereichten Beiträgen einer kritischen Prüfung unterziehen. Dreizehn deutsche Redaktionen bekommen an diesem Montag ihre Urkunden. Die Mitarbeiter der Sächsischen Zeitung warten bis zum Schluss: Sie kriegen den 1. Preis für den „Familienkompass“, der im vergangenen Jahr drei Monate lang mit insgesamt 400 Beiträgen den Inhalt der Zeitung entscheidend prägte und in der Region wirkte. In einem Ort entstand danach ein neuer Kindergarten, an einem anderen Ort gibt es jetzt besseres Essen für Kinder und in eine Gemeinde ziehen wieder mehr Einwohner, weil guter Lokaljournalismus, gepaart mit Kreativität und Innovationsgeist Aufmerksamkeit erzielt und sich so von der digitalen Welt unterscheiden kann. Das sagt Carsten Dietmann, der Geschäftsführer des Dresdner Druck- und Verlagshauses, in dem die Sächsische Zeitung erscheint.

Den Tusch zum Preis spielen im Albertinum die Klazzbrothers. Sängerin Maria Markesini schwärmt mit Songs von Bob Dylan und Kurt Weill so hinreißend, dass der Festredner Kurt Biedenkopf den Chefredakteur der SZ, Uwe Vetterick, charmant auffordert, er möge doch veranlassen, dass er über diese musikalische Naturgewalt alsbald in seiner Zeitung liest. Der Ministerpräsident a.D. darf das, er kam als Elder Statesman, von politischer Einflussnahme keine Spur, sondern der wohlgemeinte Wunsch eines Lesers. Das genau ist es, was Qualitätsjournalismus ausgezeichnet werden lässt: Dem Leser vor Ort auf der Spur, für ihn da sein, sich einsetzen für seine Wünsche und Probleme, ihn erfühlen. Das sagt der Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung und frühere Präsident des Europäischen Parlaments, Hans-Gert Pöttering.

Dann folgt eine Koalition aus dem parteilosen Dresdner Sozialbürgermeister Martin Seidel und dem CDU-Politiker Kurt Biedenkopf. Denn Dresden darf sich Geburtenhauptstadt nennen, aber stellt damit eine Ausnahme in Deutschland dar. Kurt Biedenkopf lobt die Stadt und preist die Idee des journalistischen Familienkompasses. Denn der Begriff der Familie habe sich in den vergangenen Jahrzehnten relativiert. Junge Männer und Frauen benötigen wieder Orientierung, schließlich folgte der fortschreitenden Individualisierung in der Gesellschaft eine Lockerung des sozialen Zusammenhalts. Es sei ja nicht einmal mehr klar definiert, wer Familie ist und wie sich der Schutzauftrag des Staates geändert habe. Bevölkerungspolitik wäre in den vergangenen Jahren ein Tabu gewesen. Nicht zuletzt, weil die Nazis Heldenmütter ehrten und Nachwuchs nach ihrem Bilde züchteten.

Hier müsse sich dringend etwas ändern, wobei er Anzeichen erkenne, aber weiß, dass es nicht reicht, Milliarden in familienpolitischen Projekten zu versenken. Es bräuchte Experimente von unten, aus der Gesellschaft heraus, gegen Bürokratie, die vor allem der Minimierung von Risiken diene, aber nicht der nachhaltigen Entwicklung der Bevölkerung. Noch mal Tusch, diesmal mit Beifall vom Publikum.

Dem Chefredakteur der Sächsischen Zeitung, Uwe Vetterick, bleibt, sich bei der Konrad-Adenauer-Stiftung zu bedanken. Er bedankt sich aber auch für die hervorragende Zusammenarbeit der Mitarbeiter der Redaktion und des Verlages. Das sei der Schlüssel für die Zukunft.