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David gegen Goliath

Roland Hoyer aus Dohna will den Wählern eine Chance geben und hat doch selbst kaum eine. Aber: Die Demokratie sei es ihm wert.

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© Daniel Förster

Von Heike Sabel

Dohna. Geplant war das nicht. Für den Bundestag zu kandidieren, daran verschwendete Roland Hoyer nie einen Gedanken. Er hat genug zu tun, als Betriebsrat bei der Wismut und Rentenberater. Genau diese beiden Tätigkeiten und die politische Entwicklung waren es dann doch, die ihn Unterschriften sammeln ließen. Die nämlich brauchte er als Einzelkandidat, um zur Wahl zugelassen zu werden, weil eine Partei für ihn nicht infrage kam. Er las alle Wahlprogramme und fand bei allen was, was seinem Verständnis entsprach. Aber eben keine Partei, bei der alles passt.

200 Unterschriften aus dem Landkreis brauchte er, um zugelassen zu werden. Am Ende standen 270 ganz unterschiedlicher Leute auf der Liste. Nur ein bekennender CDU-Wähler habe ihm die Hilfe verweigert. Kollegen haben ihn unterstützt. „Roland, du bist nicht der Dümmste, haben sie gesagt“, sagt Hoyer. Der 60-Jährige vertritt seit 1990 ihre Interessen, seit 2006 hauptamtlich als Betriebsrat und gewähltes Mitglied der Tarifberatungskommission in der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie.

In diesen Jahren hat er viel gelernt, über Tarifverhandlungen, über die Renten der Arbeiter, wenn er sie berät. 160 solche Gespräche hat er allein voriges Jahr geführt. Da hat er viele Geschichten gehört, viele Biografien, Schicksale. Er holt seine Rententabelle raus und rechnet aus, was jemand mal bekommt – mit den Abzügen. Die würden oft verschwiegen, sagt er. Das niedrige Lohnniveau wird zum Problem für die Rentner. Eine Lohnerhöhung lohne sich manchmal nicht gleich, weil dann höhere Steuern, Beiträge und Abgaben fällig werden. Für die spätere Rente wirkt sie sich aber schon eher positiv aus. Oft würden die Leute erschrecken, wenn sie erfahren, wie wenig Rente sie mal bekommen. Da muss was gemacht werden, sagt Hoyer.

Er weiß, gegen die etablierten Parteien hat er als Einzelkandidat kaum eine Chance. „Ich bin David gegen Goliath.“ Hoffnungslos ist er trotzdem nicht. „Viele wollen weder die alten noch die neuen Parteien wählen.“ Er könne vielleicht von der Wechselstimmung profitieren, meint er und sagt im gleichen Atemzug: „Ich bleibe Realist.“ Manchmal träumt er trotzdem. „Mal angenommen, ich da oben…“ Damit meint er den Bundestag und Berlin. Er vollendet den Satz nicht, weil er ja Realist ist. Aber trotzdem: „Ein Restrisiko bleibt.“ Ein Spinner ist Hoyer deshalb nicht.

Hoyer will dem Souverän, also dem Wähler, eine Alternative geben, dass er auch was anderes wählen kann. Er selbst war und ist in keiner Partei. Das werde sich auch nicht ändern, egal wie die Wahlen ausgehen. Lange Jahre war er zufrieden, wollte das System nicht ändern. Doch die Zustände der vergangenen Jahre, dass viele sich schon wieder nicht getrauen, den Mund aufzumachen, das hat ihn zu seiner Kandidatur getrieben.

Geld verloren, Erfahrung gewonnen

Das Gesellschaftssystem an sich will er auch heute nicht ändern. Auf seinem Schreibtisch stehen eine Deutschland-Fahne und das Grundgesetz. Aber in der Steuerpolitik, bei der Krankenversicherung, im Rentensystem und bei der Flüchtlingspolitik, mit der alle überfordert seien, müsse sich etwas ändern. Die Bevölkerung sei da sensibel, sagt er.

Hoyer ist der Typ, der gern mitreden und an der Gesellschaft teilhaben will. Bisher hat er für kein politisches Amt kandidiert. Auch nicht in Dohna, in dessen Ortsteil Bosewitz er wohnt. Er sei immer eingebunden, habe viele Jahre drei Schichten bei der Wismut unter Tage gearbeitet und es irgendwie auch nicht für notwendig gehalten, sich politisch zu engagieren. Die Zeiten und seine Einstellung haben sich geändert. Wenn schon, sagt er, dann wolle er aber nicht in den Ortschafts- oder Stadtrat, sondern nichts weniger als in den Bundestag. „Die Entscheidungen werden in Berlin getroffen.“ Die Kommunen seien mehr oder weniger nur Ausführende, auch bei seinen Themen Rente, Altersarmut, innere und äußere Sicherheit.

„Wenn ich am Ende durchfalle, habe ich zwar etwas Geld in den Sand gesetzt, aber ich habe mehr Erfahrungen und werde glücklich sein, es gemacht zu haben.“ Das, was ihn antreibe, bleibe – auch nach dem Wahltag. Am 25. September wird Hoyer wieder früh kurz nach 6 Uhr in seinem Betriebsratsbüro sein. „Ich bin Arbeitnehmervertreter mit Leib und Seele.“