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Das Windrad, das nie funktionierte

Beim Start schaute einst sogar der DDR-Regierungschef vorbei. Glück hat das der Anlage nicht gebracht. Nun droht der Abriss.

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© Sebastian Schultz

Von Eric Weser

Wülknitz. Windräder gibt es in der Gemeinde Wülknitz einige. Aber kein anderes ist wie dieses: Etwa zehn Meter ragt der Turm in die Höhe, dem Rotor fehlen die Flügel. Am Boden liegt eine verrostete Förderschnecke im kaputten Betongehäuse. Gleich daneben ein idyllischer Teich mit Schilf und Seerosen. Was ist das hier eigentlich, zwischen dem Bettelweg und der Bahnstrecke Chemnitz–Elsterwerda?

Kurz nach dem Bau der Anlage kam DDR-Regierungschef Willi Stoph in die Gegend . Das Foto zeigt ihn bei seinem Besuch 1983 der LPG Kanalgebiet.
Kurz nach dem Bau der Anlage kam DDR-Regierungschef Willi Stoph in die Gegend . Das Foto zeigt ihn bei seinem Besuch 1983 der LPG Kanalgebiet. © Bundesarchiv

Die Spurensuche beginnt mit einem Wülknitzer, der zufällig mit dem Auto anhält. Er will seinen Hund ausführen. Die Anlage da? Habe einst der Feld-Bewässerung gedient. Zu DDR-Zeiten sei sogar Wilhelm Pieck da gewesen, um das Teil einzuweihen. Nachfrage beim Wülknitzer Bürgermeister. Der kann sich nicht erinnern, dass der erste und einzige Präsident der ehemaligen DDR in Wülknitz war. Ein anderer Würdenträger sei aber tatsächlich gekommen, um das Bauwerk anzugucken: Willi Stoph, der damalige DDR-Ministerrats-Vorsitzende.

Was den Zweck der Anlage angeht, korrigiert Clauß: Die Technik habe nicht wie viele andere Geräte in der Gegend be-, sondern entwässert. Das Wasser aus nassen, tief gelegenen Flächen sollte im Teich zusammenlaufen und per Windkraft in einen höher gelegenen Graben gepumpt werden, um abzufließen, so der ausgebildete Agraringenieur. „So, wie man sich das gedacht hatte, hat es aber nicht funktioniert.“

Das bestätigt auch , Dr. Karl-Heinz Werner, einst Chef der „LPG Kanalgebiet“ aus Colmnitz, auf deren Boden das Schöpfwerk einst errichtet wurde. Die Anlage sei seinerzeit als Forschungsprojekt von Mitarbeitern des VEB Ingenieurbüro für Meliorationen aus Bad Freienwalde entworfen worden, erinnert er sich. Das große Manko sei von Beginn an die Kraftübertragung vom Windrad zur Pumpe gewesen. Beim Besuch von Willi Stoph sei das damals gerade erbaute Gerät auch gezeigt worden, erzählt Werner, der den SED-Politiker seinerzeit begleitete. Wann das war, wisse er nicht mehr. Vermutlich war es am 18. Mai 1983. Einen Tag später berichtete die SZ groß auf der Titelseite vom Stoph-Besuch im damaligen Bezirk Dresden. Auch von einer Visite bei der „LPG Kanalgebiet“ und LPG-Chef Werner ist die Rede. Das Schöpfwerk wird zwar nicht direkt erwähnt. Da das Typenschild am Windrad-Turm jedoch „1982“ als Baujahr ausweist, könnte es passen.

Mit der Wende verschwand die DDR-Agrarpolitik – und mit ihr die Maßgabe, zusätzliche Felder zu erschließen. Aus der geplanten Agrarfläche bei Wülknitz wurde Naturschutzgebiet. Das Schöpfwerk verlor seinen Zweck und begann zu verfallen.

Heute sind die ruinösen Technikreste nicht nur ein beliebter Platz, um mit Hunden Gassi zu gehen. Auch junge Leute machen gerne Ausflüge dorthin, weiß Bürgermeister Clauß. Mutige würden es sogar wagen, über die Leiter zur Windrad-Spitze emporzuklettern. Auch deshalb werde die Anlage abgerissen. Wann genau, steht aber noch nicht fest, sagt Thomas Keil von der Wülknitzer Agrargenossenschaft, der das Grundstück gehört. In den nächsten fünf Jahren soll der einstige Prestige-Bau definitiv verschwinden.