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„Das war’s jetzt, Klaus“

Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit wirft nach der Pannengeschichte um den Hauptstadtflughafen als Aufsichtsratschef hin.

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Berlin. Nun ist es raus. Vom neuen Berliner Flughafen wird auch in diesem Jahr kein Flieger abheben. Der für den Oktober geplante Eröffnungstermin kann nicht eingehalten werden, weil die Brandschutzanlage zu guten Teilen neu konzipiert und gebaut werden muss. Damit wird zum vierten Mal eine feste Zusage gebrochen. Nun geraten die in das Projekt eingebundenen Spitzenpolitiker ernstlich unter Druck. Doch die Verantwortung für das Desaster mochte niemand übernehmen. Bis gestern. Den Bösewicht gibt vor allem Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit, der als Chef des Aufsichtsrates der Flughafengesellschaft formal die größte Verantwortung trug. Zweiter im Bunde ist Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck. Beide SPD-Politiker wollten bislang ihren Platz im Kontrollgremium nicht räumen und haben die Verantwortung für das kostspielige Versagen stets anderen zugeschoben. Doch diesmal wurde auch der Rücktritt von Wowereit verlangt. Und der tat es. Gab sein Amt gestern an Platzeck ab.

Die Fraktionschefin der Berliner Grünen, Ramona Pop, sieht einen großen Schaden für die Stadt durch dessen Flughafenpolitik. Ihr Parteifreund Jürgen Trittin spricht von „wurstiger Unfähigkeit“ und stellt fest: „Das war’s jetzt, Klaus.“

Auch Platzeck gibt keine gute Figur ab. Brandenburg ist neben Berlin zweiter großer Anteilseigner am Flughafen. Beide Länder halten je 37,5 Prozent der Anteile und können so faktisch allein über alles entscheiden, müssten also auch für schlechte Beschlüsse gerade stehen. Die beiden Sozialdemokraten haben zum Beispiel trotz der unglaublichen Pannen am Chef der Flughafengesellschaft, Rainer Schwarz, festgehalten. Das bringt den Bund als dritten Miteigentümer in Rage. 25 Prozent der Anteile werden im Aufsichtsrat vom Bundesverkehrsministerium vertreten. Minister Peter Ramsauer fordert schon lange den Rauswurf von Schwarz. Der Steuermann habe das Ruder nicht fest in der Hand, glaubt der Minister. Damit ist für den CSU-Minister auch der eigene Anteil erledigt. Ramsauer lehnt sich zurück und verweist immer wieder auf die Mehrheitsverhältnisse. Doch auch die Tage von Schwarz sind seit gestern gezählt.

Das Debakel kommt die Steuerzahler teuer zu stehen. Schon jetzt belaufen sich die Kosten für den Megaflughafen auf 4,3 Milliarden Euro. Einige Hundert Millionen könnten noch dazu kommen, wenn die notwendigen Baumaßnahmen tatsächlich so umfangreich werden, wie viele vermuten und neuerliche Regressansprüche wegen der Terminverschiebung gestellt werden.

Ob jemals ein weiterer Eröffnungstermin genannt wird, ist derzeit offen. Klar ist nur, dass das Projekt für die Beteiligten riesige Verluste bringen wird. Womöglich ist der Airport zudem schon zu klein, wenn er eröffnet wird. Bei Beginn der Planungen in den 1990-Jahren waren die Macher von einer Kapazität von 27 Millionen Passagieren im Jahr ausgegangen. Beinahe so viele fertigen die alten Berliner Flughäfen jetzt schon ab.

Die Auswirkungen auf den Flugbetrieb und für die Passagiere sind vorerst ungewiss. Air Berlin und die Lufthansa als größte Kunden des Flughafens äußerten sich zunächst nicht. „Wir haben noch keine offizielle Information bekommen“, sagte ein Lufthansa-Sprecher auf gestrige Anfrage. Wegen der abermaligen Verschiebung müssen die beiden bestehenden Flughäfen Tegel und Schönefeld noch länger als Übergangslösung genutzt werden. Vor allem der größte Standort Tegel arbeitet bereits an der Grenze seiner Kapazität. Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) kritisierte die Informationspolitik. „Ich bin nicht nur fassungslos, sondern auch stinksauer. Es ist nicht hinnehmbar, dass ich als Aufsichtsratsmitglied von einem solchen Erdbeben am Sonntagabend aus den Medien erfahre“, sagte Henkel. (Mulke/dpa)