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Das verschwundene Schild von Rietschen

Wo die Ortstafel abgeblieben ist? Das wissen nur das Schild und der oder die Schrauber, die sich mit ihm beschäftigten.

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© André Schulze

Von Carla Mattern

Ja, was ist denn hier passiert? Aus der Gemeindeverwaltung in Rietschen bekommt Dieter Merdon den Anruf: Die Ortstafel fehlt. Wer aus Richtung Niesky nach Rietschen hineinkommt, der sieht nur einen leeren Rahmen. Dieter Merdon ist das gar nicht aufgefallen. Der Weißwasseraner pendelt zwischen seinem Wohnort und seinem Arbeitsort Niesky, wo er in der Unteren Straßenverkehrsbehörde der Stadtverwaltung arbeitet und unter anderem für Verkehrszeichen und Straßenschilder in Niesky, Rietschen, Mücka, Quitzdorf am See, Hohendubrau und Waldhufen zuständig ist. Ist er urlaubsreif, dass ihm das auf seiner Fahrt entgehen konnte? Oder – gerade zurück aus dem Urlaub – so tiefenentspannt, dass es ihm nicht aufgefallen ist? Eher nichts dergleichen. Dieter Merdon sagt, er habe sich wohl auf seine Fahrspur konzentriert, und da war alles in Ordnung. Und außerdem steht das Schild an einer Bundesstraße. Damit ist die Untere Verkehrsbehörde nicht zuständig, sondern das Landratsamt, sagt der Verkehrsspezialist.

Dem Rietschener Udo Zange dagegen ist die fehlende Ortstafel sofort aufgefallen. Sei aber nicht so schlimm gewesen, schließlich habe ja ein Schild da gehangen, mit dem auf die erlaubte Geschwindigkeit in der Ortschaft hingewiesen wurde, so der Rietschener. Die Gefahr, dass jemand mit Tempo 100 nach Rietschen hineinbrettert und andere möglicherweise in Gefahr bringt, war also gering. Wäre das passiert, dann jedenfalls nicht aufgrund des fehlenden Schildes, sondern weil ein notorischer Raser hinter dem Steuer gesessen hätte.

Was ist also der Grund für das fehlende Schild? Gab es eine lustige Feier für einen Rietschener, der sein Glück in der Ferne suchen will, und der möglicherweise von Freunden zum Abschied mit einer echten Ortstafel beschenkt werden sollte? Das ist im konkreten Fall zwar eine Spekulation. Im wahren Leben aber nicht nur einmal in anderen Orten bereits geschehen, beispielsweise im Örtchen Schöps in der Nähe von Reichenbach im September 2012, im Januar 2014 in Nossen, in Rosenbach bei Löbau im Oktober 2013. Es gibt weitere Beispiele.

In Rietschen, das hat Udo Zange bereits am Abend gesehen, hing das Schild wieder in seinem Rahmen. Ob es jemand reumütig wieder angeschraubt hat? Oder es jemand im Straßengraben entdeckte und dann dafür sorgte, dass es wieder an seinen angestammten Platz kam?

Für dieses und die anderen Verkehrsschilder und Ortstafeln entlang der Bundesstraße 115 gibt es im Landkreis die beiden Straßenmeistereien in Weißwasser und Niesky als Zuständige. Da der Weißwasseraner Chef der Straßenmeisterei noch im Urlaub ist, landete das Problem mit der verschwundenen Ortstafel auf dem Tisch des Nieskyer Chef-Straßenmeisters Udo Gleisenberg. Der hat zwar eigentlich anderes zu tun, doch wichtig ist so ein fehlendes Schild natürlich selbst aus Sicht des Urlaubsvertreters.

Da Gemeindemitarbeiter das Verschwinden anzeigten, konnte zeitnah reagiert werden. Udo Gleisenberg war zwar nicht selbst vor Ort, vermutet aber, dass die alte Ortstafel noch vorhanden und ersatzweise wieder angeschraubt wurde. Dass darauf der alte Kreisname überklebt ist, stört weniger als ein fehlendes Schild. Wo die Ortstafel abgeblieben ist? Das wissen nur das Schild und der oder die Schrauber, die sich mit ihm beschäftigten.