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Das Verkehrsamt zählt in Görlitz die Laster

Auf der Reichertstraße fahren auch Sattelschlepper. Das ist normal. Es dürfen nur nicht zu viele werden.

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© Pawel Sosnowski

Von Ralph Schermann

Görlitz. Die Wahrnehmungen können unterschiedlicher nicht sein. „Gefährliche Entwicklung“ kritisiert Uwe Hölzig. „Keine Gefahr“, sagt Karsten Bachmann. Beide meinen dasselbe – die Reichertstraße.

Anlieger Uwe Hölzig begründet seine Kritik mit immer mehr tschechischen Lastern, die Holz zum Kodersdorfer Sägewerk befördern. Sie kommen über die Bundesstraße 99 und nutzen die auch von Navigationsgeräten empfohlene Verbindung über die Reichertstraße und den Kreisverkehr Rauschwalde zur Stadtumfahrung. „Weit über 20 Schwerlasttransporte von früh bis abends“ sind SZ-Leser Hölzig aufgefallen.

Bei einer Nachschau vor Ort bestätigt sich das. Befragte Anwohner indes sehen es deutlich gelassener: „Die Schlenker-Stadtbusse fahren doch auch ständig, und Lkws gab es schon immer“, überlegt Karsten Bachmann. Letzteres wird durch bisher veröffentlichte Belastungskontrollen und Verkehrszählungen bestätigt. Unverändert steht für die Reichertstraße eine Zahl von 8 900 Fahrzeugen im täglichen Durchschnitt. Von 2014 liegt die zuletzt ausgezählte Schwerverkehrsnutzung vor: Danach beträgt deren Anteil 3,7 Prozent, also rund 300 Lastwagen täglich.

Dennoch gibt die Stadtverwaltung einer Beobachtung Uwe Hölzigs recht: Laster ist nicht gleich Laster. „Dass die Reichertstraße häufig von Sattelzügen befahren wird, kann bestätigt werden“, erklärt der Leiter des Liegenschafts- und Bauamtes im Görlitzer Rathaus, Torsten Tschage.

Ansonsten aber widerspricht er der Leserkritik: Weder seien bisher Probleme beim Abbiegen der großen Fahrzeuge noch allein durch diese zerstörte Straßenteile festgestellt worden. „Die Straßen und der Kreisverkehr sind entsprechend ausgebaut und können damit auch von Sattelzügen sicher befahren werden. Schäden oder Unfälle sind in diesem Zusammenhang bisher unbekannt. Es ist auch nicht ersichtlich, in welcher Form der Schwerverkehr die Schulen und den Hort an der Reichertstraße besonders gefährden sollte. Notwendige Maßnahmen für die Schulwegsicherheit sind getroffen und richten sich an alle Verkehrsteilnehmer“, betont Torsten Tschage.

Die Reichertstraße gilt im klassifizierten Straßennetz von Görlitz als wichtiger Hauptverkehrsweg. Im Gesamtverkehrskonzept der Stadt hält sie als Hauptsammelstraße die Verbindung zwischen Biesnitzer Straße (Kreis- und Bundesstraße), Kreisverkehr (Staatsstraße) und Umgehung (Bundesstraße). Mit dieser Einordnung ist sie schon immer auch für den Schwerverkehr gedacht. Die Bedeutung dieser Nord-Süd-Verbindung hat mit der Anbindung der Wiesbadener Straße erwartungsgemäß zugenommen. „Die verstärkte Ansiedlung von Industrie und Gewerbe nördlich von Görlitz und daraus resultierender Schwerverkehr leisten ebenfalls einen Anteil an der zunehmenden Verkehrsbelastung auf dieser Strecke“, ergänzt der Amtsleiter.

Dass mancher Anwohner diese Zunahme als Belastung empfindet, wird freilich auch im Rathaus erkannt. Behutsame Eingriffe sind deshalb in den vergangenen Jahren vorgenommen worden, beispielsweise das Anlegen von kleinen Verkehrsinseln als Querungshilfen für Fußgänger, ebenso die vor allem Schülern helfende Ampel nahe der Melanchthonstraße. Der an Hauptstraßen herrschende Verkehrslärm dagegen müsse hingenommen werden, heißt es aus dem Rathaus. Verkehrseinschränkungen kämen erst dann infrage, wenn gesetzliche Grenzwerte überschritten sind und der Verkehrslärm dadurch nicht mehr zumutbar ist. „Das ist durch die geschilderten Transporte nicht zu erwarten“, so Tschage. Deshalb gibt es für die Görlitzer Stadtverwaltung derzeit „keinerlei Grund, den Verkehr auf der Reichertstraße in irgendeiner Form zu beschränken oder für bestimmte Fahrzeuge gar zu verbieten.“

Dennoch nehmen die Verkehrsplaner die Hinweise ernst. So wird jetzt geprüft, ob tatsächlich der Schwerverkehr „drastisch“ zugenommen hat, wie es Uwe Hölzig empfindet. In der vergangenen Woche waren deshalb Verkehrszähler unterwegs und haben auf der Reichertstraße Erhebungen begonnen. Mit Kontrollen auf Straßenschäden ist die Straßenaufsicht beauftragt. Ohnehin rücken Bauarbeiten näher: Der vierte Bauabschnitt auf der Reichertstraße dient der grundhaften Erneuerung des Abschnittes zwischen Büchtemann- und Melanchthonstraße. Für 2018 steht er im Plan.