Merken

Das verborgene Millionen-Bauwerk

Nahe Paußnitz wird unter Tage Trinkwasser für Zehntausende Menschen gezapft. Die Technik dort ist ziemlich einzigartig.

Teilen
Folgen
© Sebastian Schultz

Von Eric Weser

Strehla. Der Blick nach unten ist nichts für Menschen mit Höhenangst – mehr als 20 Meter geht es hinab. Dirk Hofmann steigt die Leiter nach oben ins Brunnenhaus. Dort, hinter 30 Zentimeter dickem Stahlbeton, mitten im Feld zwischen Görzig und Paußnitz, steht die neueste Anlage der Wasserversorgung Riesa-Großenhain zum Zapfen von Trinkwasser – der Horizontalfilterbrunnen. Ein Gigant unter Tage für mehr als zwei Millionen Euro. Das Bauwerk soll dafür sorgen, dass im Versorgungsgebiet genug Frischwasser in Haushalten und Betrieben zur Verfügung steht.

Blick ins Innenleben: Die Finessen des Brunnens liegen unter Tage. In gut 20 Meter Tiefe wird das Wasser gezapft. Pumpen bringen es nach oben, wo es durch einen Düker unter der Elbe durchgeleitet wird, weiter bis zum Wasserwerk Fichtenberg.
Blick ins Innenleben: Die Finessen des Brunnens liegen unter Tage. In gut 20 Meter Tiefe wird das Wasser gezapft. Pumpen bringen es nach oben, wo es durch einen Düker unter der Elbe durchgeleitet wird, weiter bis zum Wasserwerk Fichtenberg. © Sebastian Schultz
Von außen sieht die Anlage ziemlich unscheinbar aus
Von außen sieht die Anlage ziemlich unscheinbar aus © Sebastian Schultz

Die Hochwasser der vergangenen Jahre hätten dazu geführt, dass der Versorger seine Wassergewinnung überdacht hat, sagt Mitarbeiter Dirk Hofmann. Da im Flutfall das Riesaer Wasserwerk ausfalle, stehe nur noch Fichtenberg zur Verfügung. Dort gebe es aber lediglich ein Fassungsgebiet. Um dauerhaft genug Wasser für die knapp 100 000 Menschen im Versorgungsgebiet bereitstellen zu können, sollte ein zusätzliches Fassungsgebiet her.

Die Wahl fiel auf den Elbbogen bei Paußnitz. Der liegt fern von Altlasten, Industrie und Bebauung. Reichlich Grundwasser gibt es auch, zeigen die Gutachten der Hydrogeologen. Statt verteilt an etwa zehn bis zwölf Stellen kleine Brunnen zu bohren, habe man sich für ein einziges, großes Exemplar entschieden, so Hofmann. Das habe Vorteile, zum Beispiel müssen viel weniger Leitungen verlegt und weniger Grundstück gekauft werden. Doch die Technologie des Brunnens macht das Vorhaben auch anspruchsvoll. Tilo Daffner hat als Bauleiter mitgewirkt – und erzählt von den Tücken. „Es gab schon einige große Klamotten“, sagt Daffner und meint unterirdische Gesteinsbrocken. Mehrere davon verhinderten, dass die je 25 Tonnen schweren Brunnenringe aus Stahlbeton problemlos in den ansonsten sandigen Untergrund rutschen konnten. Spezialisten mussten innerhalb der ausgebaggerten Brunnenringe nach unten tauchen und die Hindernisse beseitigen. Während des Baus war von unten immer wieder Grundwasser nachgedrückt, das dort fünf Meter unter dem Gelände ansteht.

Obwohl der Brunnenschacht noch immer im Grundwasser steht, ist heute das Innere des Bauwerks trocken. Wasser strömt dort nur innerhalb der Rohre und Pumpen. Das liegt am wasserundurchlässigen Stahlbeton der Brunnenringe und den speziell abgedichteten Fugen. Und daran, dass das Wasser in rund 20 Meter Tiefe direkt in die Rohre gezapft wird. Vom Brunnenschacht aus zweigen dafür horizontale Arme sternförmig ab. Vier dieser je 20 Meter langen Arme gibt es, die in den Grundwasserleiter hineinragen.

Die Technologie erlaube, sehr viel Wasser zu gewinnen, sagt Dirk Hofmann. Bis zu 7 000 Kubikmeter fördert der Paußnitzer Brunnen täglich. Im Moment werde nicht viel Wasser gebracht, deswegen laufen die Pumpen nicht durch. Im Sommer könne das aber schon mal der Fall sein.

Geregelt wird alles per elektronischer Automatik. Ständig nach Paußnitz fahren müssen die Mitarbeiter der Wasserversorgung dafür nicht – per Datenleitung ist die Anlage mit der Riesaer Zentrale verbunden. Routinekontrollen gebe es aber trotzdem jede Woche.

Direkt ins Versorgungsnetz geht das sogenannte Rohwasser aus Paußnitz nicht. Über die massiven Pumpen wird es vorher durch einen Elbdüker unter dem Fluss hindurch ins Fichtenberger Wasserwerk zur Aufbereitung gepumpt.

Bis zu 100 Jahre soll der kürzlich fertiggestellte Brunnen halten – und auch Hochwassern der nahen Elbe trotzen. Dafür ist er jedenfalls baulich ausgelegt. Dass er die erhofften Fördermengen bringt, so viel steht schon fest, freut sich Bauleiter Tilo Daffner. Nun müsse sich zeigen, wie sich die Wassergewinnung auf den Grundwasserspiegel rund um den Brunnen auswirkt. Für die Pegelmessungen gebe es mehrere Kontrollschächte in der Umgebung. Es wird noch Jahre dauern, bis klar ist, wo sich das unterirdische Einzugsgebiet ausbildet.