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Das Skelett des Robotron

Ein erster Bürokomplex in der Lingnerstadt ist fast gefallen. Ein Wohnpark soll gebaut werden. Weitere Abrisse folgen.

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© SZ/Peter Hilbert

Von Lars Kühl

Die Greifer machen kurzen Prozess. Krallen, reißen, zerstören, bis nur noch das Gerippe steht. Die Tage des Artrium I sind gezählt. Zu DDR-Zeiten wurde hier im Zentrum für Forschung und Technik des Robotron-Areals zwischen St. Petersburger und Zinzendorfstraße versucht, mit der weltweiten Computerentwicklung Schritt zu halten. Heute türmt sich dort ein Schuttberg, der ständig wächst.

Der Abriss ist fast geschafft.
Der Abriss ist fast geschafft. © Robert Michael
Im März begannen die Abrissarbeiten
Im März begannen die Abrissarbeiten © Robert Michael

Das Kasseler Unternehmen Immovation hat die Dresdner Firma Nestler mit dem Abriss beauftragt. Im März rückten die Bagger an und leisten seitdem ganze Arbeit. Bis Monatsende soll auch der Rest des Robotron-Komplexes gefallen sein, erklärt Sprecher Michael Sobeck. Immovation will in der Lingnerstadt ein Viertel mit 3 000 Wohnungen errichten. „Mit der Planung des Quartiers unmittelbar an der Altstadt haben wir eine große Verantwortung übernommen“, sagt Vorstand Lars Bergmann. Vorgesehen ist ein lebendiger Mix aus unterschiedlichen, modernen Häusern, in denen Wohnungen mit unterschiedlichen Größen untergebracht werden. Beauftragt wurden drei Architekturbüros. Neben dem des Dresdners Peter Kulka auch das von Christoph Mäckler aus Frankfurt am Main und kister scheithauer gross aus Köln.

Letzteres ist jetzt ausgezeichnet worden. Die Architekten erhielten für die Umgestaltung des ehemaligen Gerling-Hochhauses in Köln den Sonderpreis für nachhaltige Stahlarchitektur des Bundesumwelt- und -bauministeriums. Sie ließen das Bürogebäude des Versicherungskonzerns in ein exklusives Wohnhaus umbauen. Der 14-Geschosser der Nachkriegsmoderne wurde bei der Sanierung bis auf das Stahlskelett zurückgestutzt und anschließend technisch und statisch erneuert.

Solch ein Vorgang ist in Dresden nicht vorgesehen. Hier hat der Abriss Methode. Denn nach dem Atrium I fällt im Anschluss ab Juli auch das benachbarte alte Rechenzentrum, erklärt Sobeck. Der letzte Mieter „Teppichfreund“, der seine Waren bis vor Kurzem im Erdgeschoss verkaufte, ist bereits ausgezogen. Zunächst wird der Robotron-Quader entkernt. Das dauert zwei bis drei Monate, schätzt Sobeck. Ob und wie viele Fassadenelemente erhalten werden können, klärt das Denkmalschutzamt mit der Abrissfirma Nestler. Die bunten Mosaike wurden ursprünglich als Kunst am Bau an die Nord-Wand angebracht. Es gibt Initiativen, wie das Netzwerk ostmodern, die sich, wie auch schon bei den großflächigen Glasmosaiken im Artrium I, für einen Erhalt solcher DDR-Kunstwerke einsetzen.

Ab Oktober rücken dann die Bagger an. Bis zum Jahresende soll auch das Rechenzentrum ein Schuttberg sein. Die aufgetürmten Steinplatten werden nicht entsorgt. Sie sollen für die neuen Anliegerstraßen verwendet werden, sagt Sobeck.

Bis zum eigentlichen Baustart wird allerdings noch mindestens ein Jahr vergehen. Derzeit setzen die Architekturbüros ihre Planungen fort. Die Verwaltung will bis zum dritten Quartal die Erarbeitung des Bebauungsplanentwurfes abschließen. Anschließend müssen noch alle städtischen Gremien zustimmen. Immovation rechnet damit, dass alle baurechtlichen Voraussetzungen im ersten Halbjahr 2017 vorliegen.

Die fast 100 000 Quadratmeter große Fläche auf dem Areal der ehemaligen Robotron-Werke hat das Unternehmen im November 2014 gekauft. Die Wohnhäuser sollen bis 2025 in mehreren Abschnitten gebaut werden. Dafür sind weitere Abrisse geplant, wie der des Riegels, den beispielsweise die Cityherberge derzeit noch für einige Jahre zum Teil gepachtet hat.